Brandt-Steppenwühlmaus

Die Brandt-Steppenwühlmaus (Lasiopodomys brandti) wird spätestens seit Ende der 1950er Jahre in Europa gehalten. Das damalige Zoologische Museum Berlin erhielt 1956 Tiere, die von einer China-Expedition mitgebracht wurden (vgl. Reichstein 1962). Während die zootierliste.de eine Haltung in den Zoologischen Gärten von London und Berlin sowie dem Berliner Tierpark ab 1959 datiert, erhielt der Frankfurter Zoo bereits ein Jahr zuvor zwei Tiere. Dennoch handelt es sich bis heute um eine in Zoos kaum gezeigte Tierart.

 

In der Heimtierliteratur vor der Jahrtausendwende spielt diese Wühlmausart keine Rolle, obwohl sie mindestens seit 1996 auch von Privatpersonen innerhalb der Bundesarbeitsgruppe Kleinsäuger gehalten wurde. Einen Bericht über die Haltung des Schulzoo Leipzig veröffentlichte Ewald (1999). In Ratgeberbüchern findet sich eine Erwähnung bei Ehrlich (2003) und eine kurze Beschreibung bei Sistermann (2008a). Ein größerer Artikel erschien von Sistermann (2008b).

 

In den 2010er Jahren schien Lasiopodomys brandti aus den europäischen Beständen verschwunden zu sein. 2013 meldete kein privates Mitglied der BAG mehr Steppenwühlmäuse und 2015 beendete der Zoo in Pilsen die Haltung. Im Frühjahr 2019 brachte ein Händler Tiere aus Russland nach Deutschland, die auf großes Interesse stießen. Seither hat sich die Brandt-Steppenwühlmaus wieder einigermaßen in Privathand verbreitet.

Herkunft und Lebensraum

Die Brandt-Steppenwühlmaus ist über weite Teile der Mongolei bis nach Ost-China und Russland verbreitet. Sie bewohnen Steppen und Grasland der Ebenen und bis zu einer Höhe von 2000 m. Bevorzugt werden vor allem solche Habitate mit kurzer, rasenartiger Vegetation von 30–130 mm. (vgl. Avirmed et al. 2016)

 

Insbesondere für die Mongolei beschreibt Dawaa (1961) ein zyklisches Massenauftreten welche für die Viehwirtschaft einen großen Schaden bedeuten. Ähnliche Populationsdynamiken mit anschließenden Wanderbewegungen sind in Mitteleuropa von der Feldmaus (Microtus arvalis) bekannt (vgl. Kräh 2018).

Biologie

Die Brandt-Steppenwühlmaus erreicht eine Kopf-Rumpf-Länge von 11,8–14,8 cm, der Schwanz ist mit 19–30 mm vergleichsweise kurz, die Männchen werden etwas größer und schwerer als die Weibchen. Das Gewicht liegt bei maximal 84 g. Das Fell ist oberseits gelbbraun und unterseits grauweiß. Die Kopfform erinnert eher an Präriehunde (Cynomys) oder Ziesel (Citellus) als an Wühlmäuse. (vgl. Reichstein 1962)

 

Es bestehen nicht nur morphologische Ähnlichkeiten mit steppenbewohnenden Erdhörnchen, sondern auch bezüglich der Lebensweise insgesamt. Brandt-Steppenwühlmäuse sind tagaktiv und leben gesellig in Kolonien, welche wiederum aus kleinen Familiengruppen bestehen. (vgl. ebd.)

Sistermann (2008b) beschreibt das Sozialsystem als matrifokal: Weibchen leben in Gruppen mit ihren Jungtieren zusammen. Männchen sind die meiste Zeit des Jahres solitär. Lediglich im Winter bilden sich
Schlafgemeinschaften von bis zu 20 Tieren.

Lasiopodomys brandti bewoht selbstgebrabene Bauten mit zunächst 2–5 Ausgängen. Wärend die Tunnel und Nester nur wenige Zentimeter unter der Oberfläche liegen, reichen die und Vorratsräume oftmals bis zu 90 cm tief ins Erdreich. Mit Anwachsen der Kolonie steigt auch die Komplexität der Bauten und die Zahl der Eingänge auf bis zu 85. (vgl. Dawaa 1961 mit Abbildungen)

Sistermann (2008b) beschreibt flachere Sommerbauten mit mehreren Kammern und bis zu 15 Ausgängen sowie tiefer reichende Winterbauten mit wenigen Ausgängen, die zeitweise komplett verschlossen werden. Im Winter leben die Wühlmäuse teils ausschließlich unter der Erde und ernähren sich dann von den im Herbst gesammelten Vorräten. In den unterirdischen Vorratskammern lagert eine einzige Familiengruppe bis zu 10 kg Gras und andere Pflanzen sowie Wurzeln (vgl. Avirmed et al. 2016).

 

Im Freiland ernähren sich Steppenwühlmäuse saisonal von unterschiedlichen Pflanzenarten. Wang et al. haben nachgewiesen, dass Nahrungspräferenzen sich vom tatsächlichen Angebot unterscheiden. So wird beispielsweise ein Fingerkraut (Potentilla tanacetifolia) mit größter Vorliebe aufgenommen, obwohl es nur 0,03 % der Vegetation ausmacht. Das Beifußgewächs Artemisia frigida hingegen, welches teilweise ein Viertel der Biomasse im Habitat ausmacht, ist eher unbeliebt.

Haltung

Als soziale Art sollte Lasiopodomys brandti stets mindestens paarweise oder in kleinen Gruppen gehalten werden. Sistermann (2008a) empfiehlt jedoch bei Gruppenhaltung nur höchstens ein erwachsenes Männchen. Die Grundfläche gibt er mit 100 x 40 cm für 4–6 Tiere an (siehe auch Sistermann 2007). Ewald (1999) beschreibt die Haltung von 5 Tieren in einem Terrarium mit den Abmessungen 90 x 35 x 35 cm, Gromov (2005) hielt Paare in Käfigen mit den Abmessungen 60 x 35 x 20 cm und nach Ehrlich (2006) sollte die Haltung von zwei Tieren in einem Aquarium mit den Abmessungen 80 x 40 x 50 cm stattfinden. 

Das Gutachten über die Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren sieht für mittelgroße Mäusearten eine Grundfläche von 0,5 m² für bis zu zwei Tiere vor (BMEL 2014).

Reichstein (1962) beschreibt die Außenhaltung in einem 9 x 12 m großen durch eine verputzte Mauer gesäumten Freigehege für zunächst 6 und später dann über 70 Tiere. Die Ausgangstiere für diese Beobachtungsstudie wurden in Laborhaltung gezüchtet.

 

Für die Haltung von allen Wühlmäusen ausschlaggebend ein geeigneter Bodengrund. Sistermann (2007) verwendet ein 15 cm hoch eingefülltes Gemisch aus Rindenmulch und ungedüngter Blumenerde mit einer Lage Heu oder Stroh. Ebenso geeignet ist eine jedoch eine Mischung aus Kleintierstreu aus dem Zoofachhandel mit Heu. Insbesondere Baumwollstreu ermöglicht den Tieren das anlegen von Gängen.

Die weitere Einrichtung kann aus verschiedenen Unterschlupfmöglichkeiten (Wellensittichnistkästen, Tonblumentöpfe) und künstlichen Röhren bestehen. Ebenso werden Wurzeln, Steine und dicke Äste hin und wieder als Aussichtspunkte genutzt.

Ernährung

Während im Freiland hauptsächlich Gräser und Kräuter aufgenommen werden, fütterte Reichstein (1962) in Außenhaltung Kartoffeln, Möhren, Rüben, Äpfel, Eicheln, Raps, Hafer und Weizen. Gras, Klee und gekeimtes Getreide wurde nur gelegentlich gegeben. Gromov (2005) reichte eine Mischung aus Haferflocken und Sonnenblumenkernen mit frischem Gemüse. Ehrlich (2006) empfiehlt die Fütterung von Gras und Kräutern sowie Gemüse, Salat und Kleinsaaten. Sistermann (2008b) nennt neben Heu auch Gras, Vogelmiere, Löwenzahn, Moos sowie Gemüse (Möhren, Schwarzwurzeln, Futterrüben) als Frischfutter. Ebenso eine Körnermischung aus Wellensittichfutter und Kanarienfutter im Verhältnis 2:1 sowie Mehlwürmer, Insektenfutter oder Eifutter (vgl. ebd.). Von süßem Obst wird wegen der Möglichkeit Diabetes auszubilden abgeraten (vgl. Sistermann 2007).

Zucht

Während Gromov (2005) ausschließlich mit Paaren gezüchtet hat, gelingt nach Sistermann (2007) die Zucht am besten in Gruppenhaltung mit einem älteren und drei bis vier jüngeren Weibchen sowie einem unverwandten Männchen. die Haltung von drei Männchen mit zwei Weibchen hat im Schulzoo Leipzig nicht zu Nachwuchs geführt (vgl. Ewald 1999).

Die Fortpflanzung stellt in der Regel kein Problem dar. Nach einer Tragzeit von ca. 23 Tagen kommen etwa 5--6 Welpen zur Welt (vgl. ebd.). Nach Gromov (2005) zeigen Männchen sämtliches Brutpfegeverhalten (außer Säugen), das auch Weibchen zeigen: Wärmen durch Aufliegen, Ablecken und das Zurücktragen von Welpen ins Nest. Gleichermaßen beteiligen sich Männchen am Nestbau durch Eintragen von Nistmaterial und Ausbesserungsmaßnahmen am Nest. Ebenso tragen sie Nahrung in den Bau ein. Besonders während der Aufzucht sollte viel Grünfutter gegeben werden (vgl. Sistermann 2007).

 

Die Jungtiere wachsen schnell und sind bereits nach 3 Wochen entwöhnt. Spätestens mit 6 Wochen sollten vor allem der männliche Nachwuchs entfernt werden. Die Anwesenheit fortpflanzungsfähiger Männchen verhindert, dass junge Männchen geschlechtsreif werden (vgl. Sistermann 2008b). Neue Paare können bereits in jungem Alter zusammengesetzt werden. Sofern Nachwuchs ausbleibt, sollte das Männchen getauscht werden (vgl. ebd.).


Zitationsvorschlag für diesen Artikel:
Kräh, S. (2020): Brandt-Steppenwühlmäuse. https://ratfrett.jimdofree.com/tiere/steppenw%C3%BChlm%C3%A4use/


mehr

Avirmed, D.; Batsaikhan, N. & Tinnin, D. (2016): Lasiopodomys brandtii. The IUCN Red List of Threatened Species 2016: e.T11340A115101423. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2016-3.RLTS.T11340A22351917.en. (Letzter Abruf: 07.01.2021)

 

BMEL. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2014): Gutachten über die Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren.

 

Dawaa, N. (1961): Beobachtungen an Brandt's Steppenwühlmaus (Microtus brandti Radde) in der Mongolischen Volksrepublik. Zeitschrift für Säugetierkunde, 26: S. 176–183. https://www.biodiversitylibrary.org/page/45349181#page/196/mode/1up

 

Ehrlich, C. (2003): Kleinsäuger im Terrarium. Natur und Tier-Verlag.


Ehrlich, C.
(2006): Kleinsäuger im Terrarium. Natur und Tier-Verlag.

 

Ewald, E.-M. (1999): Steppenwühlmaus (Microtus brandti). www.schulzoo.de/homepage/1/homepage/frames/tierreporte/steppen.htm (Letzter Abruf: 11.01.2021)

 

Gromov, V. S. (2005): Parental care in captive Brandt vole (Lasiopodomys brandti Radde, 1861). Russian Journal of Theriology, 4 (2): S. 137–145. http://zmmu.msu.ru/rjt/articles/ther4_2_137_145_Gromov.pdf

 

Kräh, S. (2018): Mitteleuropäische Feldmaus. https://ratfrett.jimdofree.com/tiere/feldmäuse/

 

Reichstein, H. (1962): Beiträge zur Biologie eines Steppennagers, Microtus (Phaeomys) brandti (Radde, 1861(. Zeitschrift für Säugetierkunde, 27: S. 146–163.

 

Sistermann, R. (2007): Brandts Steppenwühlmaus. http://rodent-info.net/brandts_steppenwuehlmaus_allgemeines.htm

 

Sistermann, R. (2008a): Steppenlemminge und andere Wühlmäuse. Natur und Tier-Verlag.

 

Sistermann, R. (2008b): Miniatur-Präriehunde mit Pfiff. Haltung und Zucht von Brandts Steppenwühlmäusen. RODENTIA 43: S. 27–29.

 

Wang, G.; Zhou, Q.; Zhong, W & Wang, D. (2001): Comparative food preference of Microtus brandti and Ochotona daurica in grasslands of Inner Mongolia, China. Mammalian Biology, 66: S. 312–316. https://www.biodiversitylibrary.org/page/45448459