Turkmenischer Maushamster
Mindestens seit den 1990er Jahren werden Maushamster (Calomyscus) durchgehend in Europa gehalten. Nicht nur in Zoologischen Gärten sondern auch in Privathand werden die Tiere meist unter der Bezeichnung Turkmenischer Maushamster (Calomyscus mystax) gezüchtet und gehandelt.
Die ältere Literatur zählt die Gattung Calomyscus zur Unterfamilie der Hamster (Cricetinae) (vgl. Flint 1966). Heute geht man von einer eigenständigen Familie (Calomyscidae) aus, die mit Hamstern lediglich verwandt ist. Wilson & Reeder (2005) anerkennen 8 Arten und unterscheiden zwischen Calomyscus mystax und Calomyscus bailwardi, andere Quellen hingegen sehen die mystax-Form als Unterart von des Iranischen oder Zagros-Maushamsters (C. bailwardi). Bei der Recherche in der Fachliteratur finden sich mehrere Bezeichnungen, die mitunter für die gleichen Tiere gelten.
Herkunft und Lebensraum
Biologie
Grimmberger & Rudloff (2009) grenzen Calomyscus bailwardi als größere Maushamsterart gegenüber anderen ab.
Als Kopf-Rumpf-Länge geben sie 70 - 85 mm an, die Schwanzlänge beträgt 83 - 101 mm. Calomyscus mystax zählen sie mit mit C. tsolovi (KRL 66 - 79 mm, SL 55 - 66 mm) und
C. urartensis (KRL 69,5 - 83 mm, SL 76 - 101 mm) zu den kleineren Maushamstern. Die Ohren sind bis zu 20 mm lang und sehr rund. Goodness (2004) gibt ein Gewicht von 15 - 30 g an. Das weiche Fell ist
sandfarben. Die Haarbasis ist bleigrau (plumbeous, ebd.) und wird zur Spitze hin heller und bräunlicher. Flanken und Kopf sind gegenüber dem Rücken leicht aufgehellt.
Bauch und Füße sind weiß. Es gibt eine erkennbare Trennlinie zwischen Körperoberseite und -unterseite. Der Schwanz ist kurz behaart und endet in einer Quaste.
Sowohl die borstige Behaarung der Füße als auch die bis zu 21 mm langen Vibrissen weisen den Maushamster als Felsen- und Spaltenbewohner aus (vgl. Grimmberger & Rudloff 2009; Sistermann o.J.). Die Tiere klettern und springen sehr gut und sind in der Lage, selbst glatte Felswände vertikal zu erklimmen.
Sowohl Calomyscus mystax als auch Calomyscus bailwardi gelten als vorwiegend nachtaktiv, wobei sich die Aktivitätsphasen in der
kalten Jahreszeit auch auf die Dämmerung ausweiten kann (vgl. Ewald 2001; Goodness 2004; Cassola
2016). Als Nahrung dienen vor allem Samen und grüne Pflanzenteile. Grimmberger &
Rudloff (2009) nennen auch Beeren. Insekten werden im Freiland wohl kaum aufgenommen
(vgl. Flint 1966). Auch wenn Maushamster keine
Backentaschen haben, so legen sie dennoch Vorräte an, die sie in ihrem Mund zusammentragen. Dadurch erweisen sie sich auch als Samenverbreiter, da sie ihre Vorräte nie ganz
verbrauchen.
Der Turkmenische Maushamster lebt nach Cassola (2016) solitär oder auch in Gruppen. Ewald (2001) beschreibt ihn als im Freiland nicht besonders sozial, wobei es vorkommt, dass Tiere sich einen Unterschlupf teilen. Maushamster graben keine eigenen Baue, sondern legen ihre Nester aus trockenem Gras, Schafwolle und anderen weichen Materialien üblicherweise in Felsspalten an. Ebenso wurden auch schon Zagros-Maushamster in Bauten der Persischen Rennmaus (Meriones persicus) gefunden. (vgl. Goodness 2004)
Die Fortpflanzungszeit von C. mystax dauert nach Cassola (2016) von Ende März bis Anfang Mai mit einem möglichen zweiten Wurf im Sommer. Shenbrot et al. (2016) geben für C. bailwardi eine lange Fortpflanzungsperiode an, in der noch im Spätherbst trächtige Weibchen gefunden wurden. Nach Goodness (2004) ist die Fortpflanzungszeit regional verschieden und abhängig von der Nahrungsverfügbarkeit .
Nach einer Tragzeit von 30 - 31 Tagen kommen 3 - 5 Jungtiere zur Welt (Grimmberger & Rudloff 2009). Auch besonders große Würfe mit bis zu 7 Jungtieren sind dokumentert (Cassola 2016).
Die Welpen sind bei der Geburt, wie es für Mäuseartige typisch ist, nackt und blind. Weibchen haben drei Zitzenpaare und säugen die Jungtiere für mindestens vier Wochen. Am 13. Tag öffnen sich die Augen und das zunächst graue Jugendfell ist ausreichend ausgebildet. Der Fellwechsel findet im Alter von 4 - 8 Monaten statt. Dann haben die Tiere auch ihre Endgröße erreicht. (vgl. Goodness 2004)
Der langen Entwicklungszeit entspricht auch die relativ lange Lebenserwartung der Tiere. Weibchen können sich ohne weiteres drei Jahre hintereinander fortpflanzen. Das älteste dokumentierte Tier wurde zudem mehr als 9 Jahre alt (vgl. Grimmberger & Rudloff 2009).
Haltung
Goodness (2004) beschreibt Maushamster als von Natur aus nervös und ängstlich. In der
Heimtierhaltung sind sie zwar kaum zu zähmen, jedoch verschwinden die Tiere auch nicht sofort, sobald jemand den Raum betritt. Ewald (2001) berichtet, dass Maushamster paarweise wie auch in kleinen Gruppen gehalten werden können. Auch
Sistermann (o.J.) nennt die Art absolut friedlich, sodass eine Gruppenhaltung problemlos möglich sei.
Noack (o. J.) beschreibt explizit gleichgeschlechtliche Kleingruppen als friedlich.
Schmitz (2007) verweist darauf, dass die Zusammenführung erwachsener Tiere gleichen Geschlechts in Aggression
mündet. Gegensgeschlechtliche Paare lassen sich jedoch auch mit ausgewachsenen Tiere gut zusammenstellen.
Sistermann (o.J.) bewertet die Haltung als relativ einfach und empfiehlt einen Käfig mit den Mindestmaßen 80 x 40 x 40 cm (siehe auch Ehrlich 2006), der mit Ästen, Wurzeln, Steinaufbauten oder einer künstlichen Felsrückwand gestaltet werden kann. Als Unterschlupf empfiehlt Sistermann (o.J.) Blumentöpfe oder dicke Rindenstücke. Vom Gutachten über die Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren ist der Turkmenische Maushamster ausgenommen (vgl. Kräh 2014; vgl. BMEL 2014)
Als Bodengrund können sämtliche im Zoofachhandel erhältlichen Sorten oder auch Sand verwendet werden. Wenn handelsübliche Streusorten genutzt werden, sollte ein Sandbad mit Chinchillasand bereitstehen. Maushamster genießen Staubbäder und bekommen ohne Sandbad schnell strähniges Fell. Als Nistmaterial kann Heu angeboten werden. Ein sicheres Laufrad mit einem Durchmesser von 20 - 25 cm wird gerne und ausdauernd angenommen.
Ernährung
In der Natur ernähren sich Maushamster größtenteils von Samen und zu kleinerem Anteil grünen Pflanzenteilen. In Menschenhand wurden
nach Cassola (2016)
auch Insekten, deren Larven und kleine Spinnen aufgenommen. Grundfutter empfiehlt Sistermann (o.J.) Kleinsämereien: Wellensittich- und Kanarienfutter können Grassasamen beigemischt werden. Neben Insekten- und Eifutter nennt er zudem die
Möglichkeit, lebende Heimchen und kleine Grillen zu verfüttern, die von den Maushamstern gejagt werden. Ewald (2001) empfiehlt neben Waldvogelfutter auch die Fütterung von Gemüse und Obst. Goodness (2004) nennt Gemüse und Hirse als Nahrung. Ebenso wurde von den Tieren Wasser aufgenommen, obwohl sie eigentlich aus einem wasserarmen
Lebensraum kommen.
Es empfiehlt sich, den in der Literatur immer wieder übereinstimmenden Beschreibungen der Ernährung im Freiland zu folgen und neben verschiedenen Saaten auch grüne Pflanzenteile anzubieten. Hier sind Salat, nicht blähende Kohlsorten, Gemüsegrün, Kräuter sowie Blätter von Bäumen und Strächern zu empfehlen. Über eine Körnermischung hinaus werden auch Laborfutterpellets für Mäuse angenommen.
Zucht
Über den Eintritt der Geschlechtsreife gibt es verschiedene Aussagen. Ehrlich (2006) geht von 8 - 12 Monaten aus. Nach Sistermann (o.J.) werfen die Weibchen erstmalig im Alter von 6 Monaten. Er empfiehlt zudem eine Konstallation von einem Männchen und zwei
Weibchen.
Die Trächtigkeit des Weibchens ist gut durch den vermehrten Körperumfang zu erkennen. In der Woche vor der Geburt wird das Nest vergrößert und innen weiter ausgepolstert. Spätestens dann sollten den Artgenossen alternative Schlafhöhlen angeboten werden. Das Männchen kann während der Aufzucht beim Weibchen bleiben.
Die Jungtiere sind kaum zu hören, sodass der Wurf meist nur feststellbar ist, wenn das trächtige Weibchen plötzlich wieder schlank ist.
Das Muttertier verlässt die Welpen in den ersten zwei Wochen nur für kurze Zeit zur Aufnahme von Nahrung und Wasser. Die Jungen selbst erkunden erst mit etwa 3 Wochen die Umgebung des Nestes. Frühestens mit 4 Wochen können die Jungtiere von den Eltern getrennt werden (vgl. Schmitz 2007). Die Geschlechter lassen sich nur schwer unterscheiden. Bei Weibchen ist die Geschlechtsöffnung "als leicht violetter Querstrich unterhalb des Zapfens erkennbar, beim Männchen treten durch leichten Druck auf den Unterbauch die Hoden leicht hervor und zeichnen sich als parallel zur Körperachse verlaufende ovale Erhebungen unter der Haut ab" (ebd.).
Hier
Zitationsvorschlag für diesen Artikel:
Kräh, S. (2020): Turkmenischer Maushamster.
https://ratfrett.jimdofree.com/tiere/maushamster/
mehr
Cassola, F. 2016. Calomyscus mystax. In: The IUCN Red List of Threatened Species: e.T3621A22185853. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2016-2.RLTS.T3621A22185853.en. (Letzter Abruf: 03.11.2020).
Ehrlich, C. (2006): Kleinsäuger im Terrarium. Natur und Tier-Verlag.
Ewald, E.-M. (2001): Einige Bemerkungen zum Maushamster. http://www.schulzoo.de/homepage/2/homepage/tierreporte/maushamster.htm (Letzter Abruf: 02.11.2020)
Flint, W. J. (1966): Die Zwerghamster der paläarktischen Fauna. Neue Brehm-Bücherei.
Goodness, T. (2004): Calomyscus bailwardi. mouse-like hamster. https://animaldiversity.org/site/accounts/information/Calomyscus_bailwardi.html (Letzter Abruf: 02.11.2020)
Grimmberger, E. & K. Rudloff (2009): Atlas der Säugetiere Europas, Nordafrikas und Vorderasiens. Natur und Tier-Verlag, Münster.
Kräh, S. (2014): Neue gesetzliche Mindestanforderungen. https://ratfrett.jimdofree.com/2014/06/18/neue-gesetzliche-mindestanforderungen/ (Letzter Abruf: 28.10.2020)
Noack, C. E. (o. J.): Turkmenischer Maushamster. https://das-maeuseasyl.de/arten/turkmenischer-maushamster/ (Letzter Abruf: 28.10.2020)
Schmitz, C. (2007): Turkmenischer Maushamster. Zucht. http://rodent-info.net/turkmenischer_maushamster_zucht.htm (Letzter Abruf: 11.06.2007)
Shenbrot, G.; Kryštufek, B. & Yigit, N. (2016): Calomyscus bailwardi. In: The IUCN Red List of Threatened Species 2016: e.T3618A115066410. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2016-3.RLTS.T3618A22185615.en. (Letzter Abruf: 28.10.2020)
Sistermann, R. (o.J.): Maushamster. https://www.exotische-kleinsäuger.de/maushamster (Letzter Abruf: 30.10.2020)
Wilson, D.E. & D. M. Reeder (Hrsg.) (2005): Calomyscidae. Mammal Species of the World. A Taxonomic and Geographic Reference. http://www.departments.bucknell.edu/biology/resources/msw3/browse.asp?id=13000054