Im vergangenen Jahr habe ich einen Gencode für Degus vorgeschlagen und dort auch die bekannten Farb- und Zeichnungsmutationen kurz besprochen. Aufgrund einer nicht unbedingt breiten Datenlage zum
Scheckungs-Gen bin ich in meiner Theorie fälschlicherweise davon ausgegangen, dass sich der Weißanteil bei gescheckten Tieren danach richtet, ob die Scheckung homozygot (reinerbig) oder
heterozygot (mischerbig) vorliegt. Demnach hätten die sogenannten Punktschecken mit geringem Weißanteil den Gencode W/w während sogenannte Superschecken mit sehr hohem
Weißanteil den Gencode W/W haben müssten. Diese Theorie ist nicht richtig.
Schecken sind immer heterozygot
Zufällig habe ich auf der Webseite einer Züchterin einen Artikel zu "Weißlingen" bei Degus gefunden. Beschrieben wird hier, dass ab und zu rein weiße Tiere geboren werden, die
entweder noch als Jungtiere versterben bzw. die Überlebenden sich als nicht fortpflanzungsfähig herausstellen. Die Autorin vermutet ganz richtig, dass es sich wahrscheinlich um reinerbige
Schecken handelt (W/W).
Um zunächst den größten Denkfehler auszuräumen, habe ich mich bei Züchter_innen erkundigt, ob sie nachweisen können, dass Scheckung grundsätzlich immer heterozygot ist. Egal wie hoch der
Weißanteil ist. Die Nachfrage ergab, dass sie das Phänomen von Weißlingsgeburten zwar nicht kennen, jedoch bei Verpaarungen von Schecken mit Schecken grundsätzlich auch einfarbige Tiere ohne
Scheckung fallen.
Was passiert bei einer Verpaarung von gescheckten Tieren?
Eine wichtige Frage die sich zunächst stellt: Wenn alle Schecken immer heterozygot (W/w) und nur ganz selten reinweiße nicht lebensfähige Tiere zur Welt kommen, die womöglich zwei Scheckungsgene
haben (W/W), was passiert dann bei einer Verpaarung von zwei Schecken?
Grundsätzlich handelt es sich um einen einfachen dominant-rezessiven Erbgang für den die zweite Mendelsche Regel gilt:
Kreuzt man zwei Individuen bei denen das gleiche Merkmal heterozygot ist (W/w), erhält man jeweils 50% heterozygote (W/w), 25% für die rezessive Ausprägung homozygote (w/w) und 25% für die dominante Ausprägung homozygote (W/W) Nachkommen.
Das bedeutet, dass in jeder Verpaarung von zwei Schecken genau so viele rein weiße Tiere fallen müssten wie vollständig ausgefärbte Tiere ohne Scheckung. Das ist jedoch nicht der Fall: Rein weiße
Tiere sind sehr selten. Die Vermutung liegt nahe, dass homozygote Schecken bereits im Mutterleib versterben und nur ganz große Ausnahmen es über die Embryonalentwicklung bis zur Geburt schaffen.
Dieses Phänomen ist keineswegs selten sondern bereits lange bekannt bei Campbell-Zwerghamstern (Mi-Mottled-Mutation) und Streifenhamstern (Dominant Spot), Kaninchen
(Punktscheckung), Meerschweinchen (Schimmel), Chinchillas (Wilson Weiß), Pferden (Overo-Lethal-White) etc.
Die Empfehlung bei Züchter_innen aller oben genannten Arten lautet: keine Risikoverpaarungen.
Wenn 25% eines Wurfes letal sind, müssten Würfe von Schecken mit Schecken auch grundsätzlich 25% kleiner sein als Verpaarungen mit mindestens einem einfarbigen Elternteil. Hierzu habe ich mir die Wurfdokumentation von vier Züchter_innen angesehen, die diese wertvollen Informationen löblicherweise auf ihren Webseiten veröffentlicht haben:
Insgesamt habe ich 58 Würfe (103 Jungtiere) angesehen. Davon entstammen 29 aus einer Verpaarung zweier gescheckter Tiere (W/w x W/w), 26 Würfe stammen aus einer Verpaarung mit
nur einem gescheckten Elternteil (W/w x w/w) und drei Würfe gehen auf einfarbige Elterntiere zurück (w/w x w/w). Aus praktischen Gründen habe ich die letzten beiden Gruppen zusammengefasst,
sodass sich die Kategorien "riskant" und "nicht riskant" mit jeweils 29 Würfen ergaben.
Wurfgrößenanalyse
Zunächst einmal will ich auf die Würfe als Ganzes eingehen. Vier Züchter_innen dokumentieren auf ihren Webseiten 58 Würfe mit insgesamt 240 Jungtieren. Darunter waren zwei Jungtiere die kurz nach der Geburt starben und deshalb jeweils nur als 0,5 gezählt wurden. Leicht zu errechnen ist die durchschnittliche Wurfgröße von 4,13. Die Wurfgrößen variieren zwischen 1 und 8, die meisten Würfe (15) hatten eine Größe von vier Jungtieren. Die Literatur gibt für Degus nach oben abweichende Zahlen an: 2 - 8 (Sporon 1995), 4 - 8 (Bridges 1843), Ø 5,3 (Fulk 1975), Ø 6,8 (Weir 1970), Ø 5 (Gehrsitz 2007). Es scheint also bei der Stichprobe insgesamt um eine Population zu gehen, die geringere Würfe produziert.
Betrachten wir uns nun die Würfe der Kategorie "nicht riskant", also Würfe in bei denen höchstens ein Elternteil gescheckt ist. In den 29 Würfen dieser Kategorie kamen 137
Jungtiere zur Welt.
Wir sehen zunächst dass die Durchschnittswurfgröße von 4,7 leicht über dem Gesamtdurchschnitt der Stichprobe liegt. Die Wurfgrößen variieren zwischen zwischen 1 und 8 und wie auch bei der
gesamten Stichprobe liegt der Modalwert bei 4. Also die meisten Würfe bestanden aus vier Jungtieren.
Nun kommen wir zu der Kategorie mit den 29 "riskanten" Würfen bei denen die Eltern jeweils beide gescheckt waren. Geboren wurden insgesamt 103 Jungtiere. Das sind 24.81% weniger als in
der anderen Kategorie. Keins der Jungtiere war rein weiß (W/W). Die Wurfgröße variiert zwischen 1 und 7. Durchschnittlich werden pro Wurf 3,5 Jungtiere geboren. Tatsächlich bestehen die meisten
Würfe (7) aus drei Jungtieren.
Mit dieser einfachen Erhebung lässt sich feststellen, dass es tatsächlich eine um 25% geringere Wurfgröße bei der Verpaarung von Schecken mit Schecken gibt und man davon ausgehen muss, dass
homozygote Schecken im Mutterleib absterben.
Fazit
Für Züchter_innen, die auch gescheckte Degus in ihren Linien haben, ist die annähernd 100%ige Sterblichkeit von Jungtieren ein wichtiger Aspekt der Zuchtplanung: Würfe aus einer Verpaarung zweier gescheckter Eltern sind nicht allein um 25% kleiner, sondern das Absterben von Embryonen stellt für das Muttertier höchstwahrscheinlich größere körperliche Strapazen sowie ein Risiko für ihre Gesundheit dar. Aus der Zuchtdokumentation auf den genannten Webseiten geht leider nicht die Mortalität tragender Weibchen hervor, jedoch muss davon ausgegangen werden, dass etwaige Fehlgeburten, verlorene Würfe und verstorbene Muttertiere als Folgen des Letalfaktors der dominanten Scheckung anzusehen sind.
Verwendete Daten
Würfe gesamt (x58) = {1;1;1,5;1,5;2;2;2;2;2;2;2;3;3;3;3;3;3;3;3;3;3;3;3;4;4;4;4;4;4;4;4;4;4;4;4;4;4;4;5;5;5;5;5;5;6;6;6;6;6;7;7;7;7;7;7;7;8;8}
Durchschnitt: 4,1
Modus: 4
Würfe "nicht riskant" (x29) = {1;2;2;3;3;3;3;3;4;4;4;4;4;4;4;4;4;5;6;6;6;7;7;7;7;7;7;8;8}
Durchschnitt 4,7
Modus: 4
Würfe "riskant" (x29) = {1;1,5;1,5;2;2;2;2;2;3;3;3;3;3;3;3;4;4;4;4;4;4;5;5;5;5;5;6;6;7}
Durchschnitt: 3,5
Modus: 3
erhobene Zuchtdokumentationen:
http://haupts-degus.jimdo.com/
Link entfernt (Quelle ist dem Autor bekannt, wurde jedoch auf Wunsch der Seitenbetreiberin entfernt)*
Link entfernt (Quelle ist dem Autor bekannt, wurde jedoch auf Wunsch der Seitenbetreiberin entfernt)*
http://happy-degus.jimdo.com/
Kategorie "nicht riskant" |
137 Jungtiere in 29 Würfen |
Kategorie "riskant" | 103 Jungtiere in 29 Würfen (-24,81%) |
Gesamt | 240 Jungtiere in 58 Würfen |
* Siehe hierzu auch den Kommentar: Hornissennest
Nachtrag
Um eine größere
Stichprobe zu bearbeiten, habe ich die Zuchtdokumentation zweier weiterer Zuchten mit in die Statistik einbezogen. Ingesamt lässt sich aber auch bei der Analyse von 91 Würfen mit 392 Jungtieren
die gleiche Aussage treffen wie zuvor:
In "riskanten" Verbindungen mit zwei gescheckten Elterntieren kommen mit durchschnittlich rund 3,6 Jungtieren pro Wurf genau 24,99% weniger Junge zur Welt als bei "nicht
riskanten" Verbindungen mit höchstens einem gescheckten Elterntier. Hier beträgt die durchschnittliche Wurfgröße 4,8.
Verwendete Daten
Kategorie "nicht riskant" |
247 Jungtiere in 51 Würfen |
Kategorie "riskant" | 145 Jungtiere in 40 Würfen (-24,99%) |
Gesamt | 392 Jungtiere in 91 Würfen |
Würfe gesamt (x91) =
{1; 1; 1; 1,5; 1,5; 2; 2; 2; 2; 2; 2; 2; 2; 2; 2; 2; 3; 3; 3; 3; 3; 3; 3; 3; 3; 3; 3; 3; 3; 3; 3; 3; 3; 3; 3; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 5; 5; 5; 5; 5; 5; 5; 5;
5; 5; 5; 5; 6; 6; 6; 6; 6; 6; 6; 6; 7; 7; 7; 7; 7; 7; 7; 7; 7; 7; 8; 8; 8; 8; 8; 9}
Durchschnitt: 4,3
Modus: 4
Median 4
Würfe "nicht riskant" (x51) =
{1; 2; 2; 2; 2; 3; 3; 3; 3; 3; 3; 3; 3; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 5; 5; 5; 5; 5; 5; 5; 6; 6; 6; 6; 6; 6; 7; 7; 7; 7; 7;7;7;7; 7; 8; 8; 8; 8;}
Durchschnitt: 4,8
Modus: 4
Median 5
Würfe "riskant" (x40) =
{1; 1; 1,5; 1,5; 2; 2; 2; 2; 2; 2; 2; 3; 3; 3; 3; 3; 3; 3; 3; 3; 3; 3; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 4; 5; 5; 5; 5; 5; 6; 6; 7; 8; 9}
Durchschnitt: 3,6
Modus 3
Median: 3
Literatur
Braak: Lethale bontfactor bij gevlekte Campbelli dwerghamsters. In: Kleineknaagdieren.nl
Braak 2008: Witte Chinese Dwerghamster. In: Dwerghamster.nl
Bridges 1843: On the habits of some smaller species of Chilean Rodents. Proceedings of the Zoological Society of London 11: 129-132
Fulk 1975: Notes on the activity, reproductive and social behavior of Octodon degus. Journal of Mammalogy 57: 495-505.
Gehrsitz 2007: Degu (Octodon degus). Rodent-Info.net
Sporon 1995: Unser Degu. Kosmos Verlag
Stoevelaar: Chinese Dwerghamster.
Weir 1970: The management and breeding of some more hystricomorph rodents. Laboratory Animals 4: 83-97
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Clare (Mittwoch, 19 August 2015 19:02)
Dies ist eine sehr hilfreiche Artikel, obwohl ich musste es im Google-übersetzte Englisch (sorry für die schrecklichen Google German dieser Kommentar) zu lesen.
Danke sehr!
Anja (eichhorn33) (Samstag, 27 Juni 2020 16:29)
Danke Stefan für den (wie immer) ausgesprochen interessanten Artikel!
Spannend wie ähnlich, teilweise sogar identisch die Genetik bei ganz verschiedenen Gattungen ist.
Das hier beschrieben Scheckungsgen verhält sich offenbar genau wie die dominante Punkt.-/Mantelscheckung (K) bei Kaninchen.
Wohingegen die Scheckung der europäischen Eichhörnchen eher der Plattenscheckung (S) beim Kaninchen entspricht.
LG. Anja