Im vergangenen Jahr habe ich zwei Zwergstachelmäuse (Acomys spinosissimus) erhalten. Die Nachzucht dieser Art gelingt bei den einen besser und bei anderen schlechter. Mit der
Übernahme eines offenbar bereits eingespielten Paares, bestanden gute Chancen auf eine erfolgreiche Nachzucht und den Aufbau eines kleinen Zuchtstammes.
Trotz intensiver Bemühungen ist es leider nicht gelungen, eine stabile Population aufzubauen. Immer wieder sind Tiere gestorben. Interessanterweise stets am gleichen kritischen Punkt ihres
Lebens.
Da die Haltung und Zucht von Tieren nicht nur aus Sonnentagen besteht und man selten die weniger schönen Geschichten liest, habe ich mich entschlossen, das Scheitern meiner
spinosissimus-Zucht zu dokumentieren.
Im Sommer 2015 habe ich die Gelegenheit ergriffen, ein Paar Zwergstachelmäuse aufzunehmen. Die Tiere waren vollständig ausgewachsen und lebten schon eine Zeit zusammen. Es hat sich gezeigt, dass
das Weibchen sogar hochträchtig war, als die beiden ankamen.
Zwei Tage später kam der Wurf zur Welt und wurde von den Eltern fürsorglich betreut. Die beiden Jungen schienen stets gut genährt und machten einen gesunden Eindruck. Nach einer Woche fand ich
beide Welpen tot im Käfig. Ob die Tiere aufgrund anderer Einflüsse gestorben sind oder von einem Elterntier getötet wurden, ist nicht sicher zu sagen. Ich gehe von letzterem aus. Ich habe mir
hierzu keine großen Gedanken gemacht. Die Eltern hatten einen stressigen Umzug hinter sich und auch andere Halter_innen von Zwergstachelmäusen berichten von ähnlichen Vorfällen.
Nach wenigen Wochen ist das Zuchtpaar aus dem Quarantänekäfig in sein endgültiges Terrarium gezogen. Kurze Zeit später kam der zweite Wurf zur Welt.
Um künftig keine Jungtiere zu verlieren, habe ich versucht, die Umweltbedingungen so optimal wie möglich zu gestalten und so viele Stressfaktoren wie möglich auszuschalten. Das Terrarium wurde 12
Stunden täglich von einer Lampe bestrahlt, nachts gab eine deutliche Absenkung der Temperatur, die Luftfeuchtigkeit wurde durch Verwendung von Trinkflasche statt Wassernapf und porösen
Maisspindelgranulats als Einstreu reduziert. Das Futter bestand aus sehr vielen verschiedenen Komponenten und wird in einer Menge gereicht, die den Stachelmäusen die Gelegenheit gibt, das
zu fressen, was sie wollen und brauchen. Ebenso wurden die zuvor schon seltenen Störungen durch den Menschen auf das absolute Minimum reduziert.
Letztendlich wurden die beiden Töchter des zweiten Wurfes erfolgreich aufzogen und entwöhnt. Sie blieben noch eine Zeit bei den Eltern und erhielten dann, als sich abzeichnete, dass eine von
ihnen tragend ist, im Dezember ihr eigenes Terrarium.
Es stellte sich heraus, dass auch das Muttertier wieder belegt war. Die Trächtigkeit beider Weibchen verlief zunächst unauffällig. Üblicherweise beträgt die Tragzeit 35 bis 38 Tage. Zum
Jahreswechsel war von Mutter und Tochter jeweils der Wurf zu erwarten. Als erstes konnte ich feststellen, dass die Tochter deutlich an Umfang verloren hat und wohl geworfen haben musste. Das
Alttier nebenan war zudem noch hochschwanger. Die Jungen würden also im Abstand von nur wenigen Tagen geboren werden.
Innerhalb der nächsten Tage fand ich beide Muttertiere ebenso wie die zwei Welpen der des jüngeren Weibchens tot in ihren jeweiligen Terrarien. Das Alttier war noch trächtig oder sehr
wahrscheinlich im Begriff zu werfen als es starb. Während bei den ausgewachsenen Weibchen für mich bis heute unklar ist, woran sie gestorben sind und ob die Ursache bei beiden die selbe ist, sind
die Jungtiere nach dem Tod der Mutter verendet. Ihrer Größe nach zu urteilen muss dies am ersten oder zweiten Lebenstag eingetreten sein.
Somit hat sich der Bestand innerhalb einer Woche halbiert statt wie geplant verdoppelt. Die übrig gebliebene Tochter ließ sich ohne Probleme wieder mit dem Vater zusammenführen. Somit war zunächst kein Tier einzeln.
Ich habe die letzten beiden Zwergstachelmäuse danach vollkommen in Ruhe gelassen. Bei der Recherche, ob andere Halter_innen ähnliche Erfahrungen machen mussten, kam es zu keinem Ergebnis. Dass die zweite Tochter zwischenzeitlich gedeckt wurde, war mir nicht aufgefallen. Bei einer Fütterung im März verhielt sich das Männchen auffällig. Als es am nächsten Tag ebenso regungslos auf dem gleichen Stein saß wie am Vorabend, habe ich das Terrarium durchsucht genommen und in einer Höhle zwei etwa vier Tage alte Junge gefunden, die neben dem toten Muttertier saßen.
Nun hieß es, über die verwaisten Jungtiere zu entscheiden. Obwohl es einige Mäusearten gibt, die sich zur Ammenaufzucht eignen, war kein Muttertier verfügbar. Aus diesem Grund habe die beiden Welpen gemeinsam mit dem Vater in die private Initiative "Das Mäuseasyl" gebracht, wo sie mit der Hand aufgezogen wurden. Da Stachelmäuse sehr weit entwickelt geboren werden, ist die Säugezeit nur relativ kurz. Bereits nach wenigen Tagen konnten die Jungtiere ihre Ersatznahrung selbstständig aus einer Schale fressen. Nach einer Woche war sicher, dass beide Jungen es schaffen werden.
Es bleibt fraglich, was nun dazu geführt hat, dass gleich drei Muttertiere kurz vor oder kurz nach der Niederkunft verstorben sind. Platzangebot, Einrichtung, Lichtzeiten, Klima, Sozialstruktur
und Fütterung entsprachen den Empfehlungen erfolgreicher Halter_innen und Züchter_innen. Im gesamten Tierbestand sind keine Infektionskrankheiten nachweisbar. Überdies haben gleichzeitig im
selben Raum andere Tierarten erfolgreich Würfe großgezogen. Für Leser_innen auffällig in dem Fall ist sicherlich der hohe Inzestgrad der beschriebenen Verpaarungen. Wahrscheinlich war schon das
erste Paar sehr nah miteinander verwandt. Dennoch verlaufen Inzuchtverpaarungen bei andere Züchter_innen vollkommen problemlos. Angesichts der geringen Zahl an importierten Ausgangstieren, wäre
ohne Inzucht auch kaum eine stabile Population in europäischer Heimtierhaltung entstanden.
Der Plan einer Zwergstachelmauszucht ist mit den Erfahrungen der letzten Monate zunächst mal beerdigt.