Wildfangkreuzungen

Kreuzungen aus Stockente x Hausente sind in Siedlungsgebieten sehr häufig
Kreuzungen aus Stockente x Hausente sind in Siedlungsgebieten sehr häufig

Domestikation nennt man den Prozess, in dem Wildtiere über Generationen an die Bedürfnisse des Menschen anpasst werden. Negative Eigenschaften verschwinden, positive Eigenschaften werden verstärkt. In der Zuchtauswahl wird nicht nur Optimierung der "Wertschöpfung" die man aus den Tieren ziehen kann (z.B. die Milchleistung und Fleisch- oder Wolleertrag bei sogenannten Nutztieren) berücksichtigt, sondern kann sich gewollt oder ungewollt bei allen Arten auch auf die Zahmheit, Körpergröße, Hirngewicht und viele weitere Eigenschaften auswirken.

Oftmals entfernen sich Haustiere so weit von ihren wilden Vorfahren, dass man kaum noch eine Verbindung zwischen beiden sehen kann. So ist es in Anbetracht der Unterschiede zwischen Wolf und Chihuahua kaum verwunderlich, dass man sich noch vor wenigen Jahrzehnten nicht einig war, wer der Urahn unserer Haushunde ist.

Bei vielen Haustieren kommt es aus verschiedenen Gründen hin und wieder zu einer Kreuzung mit der Wildform. Dies führt zu ebenso unterschiedlichen Resultaten.

 

Eine Vermischung von Haustieren mit wilden Urahnen kann eher zufällig geschehen, wie bei den halbwild gehaltenen asiatischen Rindern (Bali-Rind und Gayal), die sich mit ihren direkt benachbarten wilden Artgenossen, dem Banteng und dem Gaur kreuzen. Ebenso gibt es Berichte von ausgesetzten oder entlaufenen Hauskaninchen, die sich Wildkaninchensippen anschließen. Bestrebungen, Polizeihunde durch das Einkreuzen von Wölfen wagemutiger zu machen, haben zu gegenteiligem Ergebnis geführt: Die Wolfshunde waren fast genauso scheu wie ihre Wolfsväter und konnten nicht für den Dienst eingesetzt werden. 

 

Häufig kommt es auch in der Zucht von Nagetieren zu Ideen, Wildtiere einzukreuzen. Züchter_innen erhoffen sich hieraus oftmals eine Verbesserung des Typs oder der Farbe oder das Ausmerzen von Fehlern, die in der Heimtierpopulation schon sehr weit verbreitet sind.

Die Idee, wilde Wanderratten mit Farbratten zu kreuzen, um einen Stamm zu begründen in dem weniger Tumorerkrankungen vorkommen, musste schnell aufgegeben werden. Die "Halbwilden" werden nur sehr schwer zahm, sind schreckhaft und beweisen sich als wahre Ausbruchskünstler. Ganz nebenbei hat man später festgestellt, dass wilde Wanderratten genauso häufig zu Tumoren neigen, wie die auf Laborstämme begründeten Heimtierratten.

 

Eher werden noch Kreuzungen aus domestizierter Farbmaus und wilder Hausmaus zahm. Jedoch dienen solche Experimente kaum der Verbesserung von Typ oder Farbe. Dies zeigt sich vor allem, wenn man den Farbschlag Golden Agouti mit der eigentlichen Wildfarbe vergleicht. Genetisch eigentlich gleich, durch jahrelange Zucht allerdings vollkommen verschieden.

Eindeutige Vorteile im Sozialverhalten bringt das Einkreuzen von Wildfängen in die bestehenden Linien der Mongolischen Rennmaus. Leider verlangen die europäischen Standards mittlerweile ein äußeres Erscheinungsbild, dem Wildfangkreuzungen nicht entsprechen, deshalb kommt es leider nicht in allen Populationen zu einer Verbesserung mit Wildfangnachzuchten, sondern eher zu einer Zucht von "Wildmongolen" parallel zu allen anderen Linien.

Kreuzung aus Wildfang und Showhamster
Kreuzung aus Wildfang und Showhamster

Bezeichnend, besonders mit Blick auf die Standardzucht sind die unterschiedlichen Ausgangspunkte bei Dsungarischem Zwerghamster und Campbell-Zwerghamster. Hier kann das Einkreuzen von Wildtieren zu einer Verbesserung der Farbintensität und der Fellqualität führen. Jedoch sehen wir bei Zuchtschauen, dass Dsungarische Zwerghamster die auf einer Kreuzung von Wildform und Showtier beruhen, eine schlechte Typbewertung bekommen und dadurch eher mittelmäßige Ergebnisse erzielen, während Campbell-Zwerghamster mit wilden Vorfahren gerade aufgrund der besonderen Kopfform beste Bewertungen bekommen.

Ganz unabhängig vom Sinn und Unsinn von Kreuzungen zwischen Haustier und wilden Vorfahren, ist diese Vorgehensweise in der heutigen Zeit bei einigen Tieren gar nicht mehr möglich, da wir nicht wissen, aus welcher Tierart eine Haustierform entstanden ist (wie beim Hausschaf), es sich vielleicht um mehrere Ursprungsarten handelt (wie beim Hauspferd) oder die Wildform ausgestorben ist (wie beim Hausrind).

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