Zuchtsystem für Knirpsmäuse

Die Zucht von Afrikanischen Zwergmäusen oder Knirpsmäusen (Mus minutoides) verläuft in der Regel problemlos, sofern die Tiere ihren Bedürfnissen entsprechend gehalten werden. (Informationen zur Haltung siehe Kräh 2019a)

 

Hierzu gehören nicht nur eine angemessene Unterbringung und Ernährung, sondern auch eine der Art entsprechende Haltungsform. Dies betrifft unter anderem die Sozialstruktur der Zuchteinheiten, die Wurfintervalle und die Wurfzahl pro Weibchen. Bei einer Haltung in großen Gruppen kann nicht von einer Zucht gesprochen werden und die Berichte von Kolonien ohne Nachwuchs oder solchen die "zusammengebrechen", bestätigen, dass Knirpsmäuse eher in Sozialgefügen mit kleiner Individuenzahl gehalten werden sollten.

Die Zucht sollte planvoll und kontrolliert stattfinden. So kann im Einklang mit der Gesundheit der Tiere eine große Zahl an Nachzuchten erreicht, die Wurfzahl jedoch auch ohne weiteres jederzeit verringert werden.

Fortpflanzungsbiologie

Die Geschlechtsreife tritt bei Weibchen üblicherweise im Alter von 60 Tagen ein, bei Männchen etwa mit 77 Tagen (AnAge 2017). Es gibt jedoch auch deutlich früher fortpflanzungsfähige Tiere: Willian & Meester (1978) berichten von einem jungen Weibchen, das im Alter von  61 Tagen bereits geworfen hat.

Paarungsbereite Weibchen werden von Männchen über längere Zeit verfolgt und lassen sich von diesen putzen. Meistens nachts, selten auch am Tag kommt es zu mehreren Paarungen. Nach einer Tragzeit von etwa 20 - 22 Tagen kommen 1 bis 7 Junge (Monadjem 2013; Willian & Meester 1978) zur Welt. In der Heimtierhaltung sind Würfe mit mehr als 4 Welpen eher selten. Die Wurfgröße nimmt nach Willian & Meester (1978) mit der Zahl der Würfe ab.

 

Neugeborene wiegen weniger als 1 g und sind nackt, taub und blind. Innerhalb der ersten Woche treten die Haarspitzen aus der Haut und die Zähne brechen durch. Die Augen öffnen sich am Ende der zweiten Lebenswoche. Das Jugendkleid ist nicht rotbraun wie bei adulten Tieren, sondern grau. Mit etwa zwei Wochen machen die Welpen erste Ausflüge in der näheren Umgebung des Nestes und fressen vereinzelt feste Nahrung, die auch die Erwachsenen zu sich nehmen. Die Entwöhnung findet etwa drei Wochen nach der Geburt statt, wenn die Jungtiere etwa die Hälfte des Erwachsenengewichts erreicht haben.

Zuchtsystem

Die im folgenden beschriebenen Zuchtsysteme sind für eine fortlaufende und nachhaltige Vermehrung  ausgelegt. Die Systeme unterscheiden sich nur geringfügig voneinander bezüglich Zuchtmanagement und zeitlichen Abläufen.

 

Grundsätzlich gilt

  • Es werden stets mehrere aktive Zuchtpaare/Zuchtgruppen (Zuchteinheiten) parallel gehalten
  • Es wird immer nur ein Zuchtmännchen pro Käfig gehalten
  • Für jede Zuchteinheit ist ein Käfig vorgesehen
  • Die Zahl der Käfige für die geschlechtergetrennte Unterbringung der abgesetzten Jungtiere entspricht in etwa der Zahl der Käfige für die Zuchteinheiten.
  • Männchen und Weibchen werden mit etwa 10 - 16 Wochen erstmals verpaart
  • Die Zusammenführung erfolgt in einem für alle Tiere neuen Käfig oder im Käfig des Männchens
  • Jungtiere werden vor Erreichen der Geschlechtsreife abgesetzt
  • Jungtiere werden nach Geschlechtern getrennt untergebracht bis sie abgegeben oder selbst zur Zucht eingesetzt werden
  • Insbesondere Weibchen kommen für maximal drei Würfe zum Einsatz
  • Der Zuchteinsatz eines Tieres ist spätestens mit Vollendung des ersten Lebensjahres beendet

Zuchtmännchen können mit einem einzigen Weibchen verpaart werden oder zwischen mehreren Weibcheneinheiten rotieren. Die Anpaarung erwachsener Tiere ist jedoch nicht immer einfach. Niemals sollte das Männchen in den Weibchenkäfig gesetzt werden, da dies zu lebensbedrohlichen Aggressionen führen kann.

 

Abgesetzte Jungtiere verschiedener Zuchtgruppen können in gleichgeschlechtlichen Gruppen zusammengehalten werden. Selbst die Männchen sind bis zu einem gewissen Alter sehr friedlich untereinander. In so zusammengesetzen Gruppen lässt sich das einzelne Tier jedoch meist nicht mehr seinen Eltern zuordnen, was für die Zuchtplanung schwierig ist. Ebenso verbleibt in der Praxis oft das Elterntier mit den gleichgeschlechtlichen Nachkommen. Da die Alttiere aggressiv auf fremde Artgenossen reagieren, sollte eine Zusammenführung mit fremden Tieren vermieden werden.

Paarhaltung mit trennung nach dem ersten Wurf

Bei dieser Haltungsform zieht ein Zuchtpaar den ersten Wurf gemeinsam auf.

Das Männchen wird gleichzeitig mit den Söhnen herausgenommen, sobald diese selbstständig sind. Es kann anschließend mit dem nächsten Zuchtweibchen zusammengeführt werden oder beendet seinen Zuchteinsatz.

Das Zuchtweibchen ist womöglich wieder trächtig. Es kann den neuen Wurf alleine oder mit den Töchtern des ersten Wurfes aufziehen.

Vier Wochen nach der Geburt des zweiten Wurfes  werden alle Jungtiere abgesetzt. Das Weibchen kann wieder neu verpaart werden oder scheidet aus der Zucht aus.

Paarhaltung mit Trennung nach dem zweiten Wurf

Es ist auch möglich, ein Zuchtpaar über zwei Würfe hinweg zusammenzulassen. Dies kann insbesondere dann sinnvoll sein, wenn der erste Wurf zahlenmäßig eher klein geblieben ist und sich bereits eine erneute Trächtigkeit des Weibchens erkennen lässt. Ist das Weibchen bereits während der Säugezeit wieder trächtig, verlängert sich die Tragezeit im einige Tage.

 

Sobald der zweite Wurf selbstständig ist, werden alle Männchen aus dem Käfig entfernt. Das Vatertier kann mit dem nächsten Weibchen zusammengebracht oder aus der Zucht genommen werden.

Ein Teil der Jungweibchen kann beim Muttertier bleiben. Dieses ist womöglich ein drittes und damit letztes Mal trächtig. Der dritte Wurf kann vom Weibchen jedoch genauso gut allein großgezogen werden. In jedem Fall werden die letzten Jungen im Alter von etwa 4 Wochen abgesetzt und das Zuchtweibchen aus der Zucht genommen.

Zuchtgruppen

Diese Haltungsform ist insbesondere bei der Farbmauszucht verbreitet, da nur wenige Männchen gehalten werden müssen. Hierbei rotiert ein Männchen zwischen mehreren Weibchengruppen. (vgl. Kräh 2019b; detaillierte Beschreibung für Europäische Zwergmäuse: Kräh 2016)

Ebenso wie bei Farbmäusen empfiehlt sich bei Knirpsmäusen eine eher kleine Zuchtgruppe, damit säugende Muttertiere nicht vom Treiben der Artgenossinnen gestört werden. Eine Zuchtgruppe sollte aus höchstens drei Weibchen bestehen.

https://ratfrett.jimdo.com/2016/10/25/mus-minutoides-oder-mus-mattheyi/https://ratfrett.jimdo.com/2016/10/25/mus-minutoides-oder-mus-mattheyi/https://ratfrett.jimdo.com/2016/10/25/mus-minutoides-oder-mus-mattheyi/https://ratfrett.jimdo.com/2016/10/25/mus-minutoides-oder-mus-mattheyi/https://ratfrett.jimdo.com/2016/10/25/mus-minutoides-oder-mus-mattheyi/

Da bei Zuchtgruppen schwerer der Überblick behalten werden kann, sollte das Männchen entfernt werden, sobald mindestens ein Weibchen hochträchtig ist. Das Männchen kann dann mit den nächsten Zuchtweibchen zusammengeführt werde oder aus der Zucht ausscheiden.

Die Jungtiere werden von den Weibchen oft gemeinschaftlich aufgezogen. Teilweise legen die Mütter voneinander getrennte Nester an. Jedoch machen sie keinen Unterschied zwischen den eigenen und fremden Welpen, sodass im Nest eines jeden Weibchens Nachkommen aus allen Würfen liegen. Dies kann unter anderem problematisch sein, wenn zwischen den Jungtieren größere Altersunterschiede bestehen. Die Milchzusammensetzung der Weibchen ändert sich mit der Zeit und im Konkurrenzkampf um die Zitzen setzen sich die älteren und kräftigeren Jungtiere durch. Die Welpen der spätergeborenen Würfe entwickeln sich dementsprechend schlechter.

Die Jungen bleiben bis nach der vierten Lebenswoche bei den Muttertieren und werden anschließend nach Geschlechtern getrennt untergebracht.

 

Farbzucht

Die Knirpsmaus hat in der Wildform eine rötlichbraune Fellfärbung. Die Körperunterseite ist weiß.

 

Wie bei einigen anderen Tierarten in Menschenhand ist auch bei der Knirpsmaus seit einigen Jahren eine Farbvariante bekannt. Diese hat eine hell blaugraue Rückenfärbung. Im Handel werden die Tiere deshalb meist grau, blau oder selten auch sandfarben genannt.

Ziemlich sicher ist, dass es sich um eine rezessiv vererbte Farbmutation handelt (zur Farbgenetik: Kräh 2010), denkbar wäre die als Blauaufhellung bekannte Dilute-Mutation. Diese Mutation ist bereits bei vielen Nagetieren, aber auch Kaninchen, Hunden, Katzen und Huftieren aufgetreten. Bei einigen Nagetierarten wird die Dilute-Mutation als Farbvariante Blue Agouti gezüchtet. Die Farbausprägung von Blue Agouti (d/d) bei Farbmäusen ist der von Knirpsmäusen relativ ähnlich. Ebenso bei Farbratten (English Blue Agouti) und Degus (vgl. Kräh 2013).

 

Die Zucht von Blue Agouti (d/d) bei der Knirpsmaus ist vergleichsweise einfach: Zwei Tiere dieser Farbvariante bringen ausschließlich Nachwuchs dergleichen Farbe. Schwieriger ist die Zucht der Wildform, da die meisten Bestände in der Heimtierhaltung durchmischt sind und auch die wildfarbene Tiere die Blauaufhellung vererben können. Für eine reinerbige Linie in der Wildfarbe ist eine strenge Selektion über mehrere Generationen nötig. Hier werden nur wildfarbene Tiere miteinander verpaart und Blue Agouti (d/d) sowie mischerbige Trägertiere (D/d) aus der Zucht ausgeschlossen. Teilweise lässt sich die Mischerbigkeit an der leicht aufgehellten Fellfärbung erkennen.

 

mehr

AnAge (2017): AnAge entry for Mus minutoides. http://genomics.senescence.info/species/entry.php?species=Mus_minutoides

 

Kräh, S. (2010): Genetik in 5 Minuten. https://ratfrett.jimdofree.com/2010/07/26/genetik-in-5-minuten/

 

Kräh, S. (2013): Degu-Farbgenetik. https://ratfrett.jimdofree.com/2013/12/04/degu-farbgenetik/

 

Kräh, S. (2016): Zuchtsystem für Zwergmäuse. https://ratfrett.jimdofree.com/2016/10/26/zuchtsystem-f%C3%BCr-zwergm%C3%A4use/

 

Kräh, S. (2019a): Knirpsmäuse. https://ratfrett.jimdofree.com/tiere/knirpsm%C3%A4use/

 

Kräh, S. (2019b): Farbmäuse. https://ratfrett.jimdofree.com/tiere/farbm%C3%A4use/

https://ratfrett.jimdo.com/2016/10/25/mus-minutoides-oder-mus-mattheyi/https://ratfrett.jimdo.com/2016/10/25/mus-minutoides-oder-mus-mattheyi/https://ratfrett.jimdo.com/2016/10/25/mus-minutoides-oder-mus-mattheyi/https://ratfrett.jimdo.com/2016/10/25/mus-minutoides-oder-mus-mattheyi/https://ratfrett.jimdo.com/2016/10/25/mus-minutoides-oder-mus-mattheyi/

 

Willian, K. & Meester, J. (1978): Breeding Biology and Postnatal Development of the African Dwarf Mouse. Acta Theriologica. Vol. 23(3). S. 55 - 73.