Ideale Wurfgröße bei Farbmäusen

Farbmäuse (Mus musculus f. dom.) bringen in der Regel 5 - 10, teilweise auch bis zu 12 Jungtiere pro Wurf zur Welt (Kräh 2018). Bei der Zucht werden Würfe mit besonders vielen Jungen oftmals als besonders gutes Zeichen bewertet. Bei der Aufzucht zeigt sich jedoch, dass große Würfe jedoch eher Nachteile mit sich bringen. Während das Zuchtziel kräftige und langgewachsene Tiere sein sollten, kommen in Würfen mit vielen Welpen diese tendenziell kleiner und leichter zur Welt und werden auch bei der Aufzucht eher unterdurchschnittlich groß. Ebenso sind die Verluste von Jungtieren höher.

Karhumaa (2011) erklärt, dass allgemeiner Konsens unter Mäusezüchter_innen über die Wurfgröße bei Farbmäusen besteht. Bei vier Welpen pro Wurf bestehe die geringste Ausfallquote bis zur Entwöhnung und die Jungtiere werden groß und kräftig. Ebenso würden Jungtiere in einem kleineren Wurf mehr Zeit mit Schlafen und Trinken verbringen, während Jungtiere mit vielen Geschwistern signifikant mehr nach der Mutter rufen, weil ihnen etwas fehlt.

Die Autorin spricht sich also für culling aus, also die selektive Verkleinerung des Wurfes auf die Größe von vier Jungtieren. Da die wörtliche Übersetzung "Keulung" eher mit landwirtschaftlichen Krisen (BSE, Vogelgrippe) in Verbindung gebracht wird und der passendere Begriff "Ausmerzen" ebenfalls kaum mehr in diesem Zusammenhang gebraucht wird, wird dies im deutschsprachigen Raum oft mit "Reduktion" oder "Selektion" umschrieben. Die Maßnahme bleibt jedoch letztendlich die selbe: Bis auf die besten vier Jungtiere werden alle übrigen aus dem Wurfnest entfernt und getötet.

 

Diese Methode wird bei Züchter_innen sehr unterschiedlich bewertet. Immerhin geht es um die Tötung eines gesunden und lebensfähigen Tieres. Neben ethischen Fragen kommen auch rechtliche Aspekte hinzu. Das Tierschutzgesetz besagt, dass ein Wirbeltier nur töten darf, "wer die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten hat" (TierSchG §4 Abs. 1) und auch dies nie "ohne vernünftigen Grund" (TierSchG §1). 

 

Vernünftige Gründe für das Töten von überzähligen Jungtieren liefert Karhumaa (2011) in einer Fußnote: Die natürliche Auslese bei großen Würfen mit schlechter Aufzuchtquote identifiziert sie als eher schleichenden und leidvollen Tod durch Verhungern oder Infantizid. Beobachtungen zeigen, dass Muttertiere meist beginnen, ihre lebenden Jungtiere von hinten aufzufressen und die Welpen damit langsam und qualvoll sterben.


Die Autorin stützt ihre These nicht nur auf den generellen Konsens unter Züchter_innen, sondern auch auf Forschungsergebnisse der letzten 50 Jahre. Vergleichsgruppen von Muttertieren mit 2, 4, 6, 8 oder 12 Jungen zeigten, dass die schlechteste Aufzuchtquote bei 2 und 12 Jungtieren pro Wurf bestand. Während bei den besonders großen Würfen schlicht nicht genug Milch produziert wurde und die Weibchen mit der Aufzucht überfordert waren, stagnierte die Milchproduktion bei nur 2 Jungtieren aufgrund der geringen Zitzenstimulation. Die Wachstumsraten stiegen bei mittelgroßen Würfen signifikant an, wenn die Wurfgröße reduziert wurde. Welpen aus einem 8er-Wurf wogen beim Absetzen 30% mehr als solche aus einem 12er-Wurf. Jungtiere aus einem 4er-Wurf wogen sogar 70% mehr als solche aus einem 8er-Wurf.

 

Somit könnte man argumentieren, dass man eher diejenigen Muttertiere zur Zucht einsetzen sollte, die insgesamt kleinere Würfe zur Welt bringen. Jedoch antwortet Karhumaa (2011) hierauf, dass das Gewicht der Mutter sowohl die Anzahl der Embryonen als auch das Gewicht der Neonaten beeinflusst und die Größe des geborenen Wurfes sich wiederum die Milchproduktion des Muttertiers auswirkt. Die Aufzuchtquote und Gewichtzunahme der Jungtiere wäre also bei von Anfang an kleinen Würfen genauso gut oder schlecht wie bei größeren Würfen, die nicht reduziert werden.

Karhumaa (2011) schlussfolgert, dass Würfe mit großer Jungenzahl bei der Geburt und kleiner Jungenzahl bei der Aufzucht die besten Voraussetzungen für gutes Wachstum der einzelnen Welpen ist. Dies ist nur durch Reduktion des Wurfes zu erreichen.

Sie verweist ebenso darauf, dass ein gesundes Gewicht des Muttertieres essenziell für eine gute Milchproduktion und gute Aufzuchtsergebnisse sind. Somit können Mäuse, die als Welpen gut aufgewachsen sind und zu kräftigen Zuchttieren heranwachsen, sich auch besser um ihre eigenen Nachkommen kümmern.

Sie führt die Ergebnisse eine Studie von Kirkpatrick et al (1988) an, die den Einfluss der Embryonenzahl im Mutterleib und der Wurfgröße auf die spätere Erwachsenengröße einer Maus untersucht. Diese Untersuchung zeigte, dass die Embryonenzahl sich auf das Geburtsgewicht der Jungen auswirkt, jedoch Zahl der gemeinsam aufgezogenen Welpen pro Wurf Einfluss auf das spätere Erwachsenengewicht hat. Und auch hier wurden die Farbmäuse, die mit wenigen Geschwistern aufwuchsen, später am größten. Darüber hinaus werden Weibchen, die in kleinen Würfen aufwachsen, früher geschlechtsreif und sind am Tag der Geschlechtsreife dennoch schwerer als Weibchen, die zwar älter sind, jedoch in großen Würfen aufwachsen (siehe hierzu Nelson & Robinson 1976).

 

Insbesondere betont Karhumaa (2011) das Verhalten des Muttiertieres als wichtigen Faktor für die gute Entwicklung der Jungtiere und die lebenslange gesundheitliche Verfassung einer Farbmaus. Verfügbarkeit von Milch, mütterliche Zuwendung und konstante Nestwärme sind hier die wichtigsten Parameter. Bei kleineren Würfen kann sich ein Weibchen nicht nur intensiver um den einzelnen Welpen kümmern. Es lässt sich zudem beobachten, dass sie insgesamt mehr Zeit im Nest verbringen, als bei größeren Würfen. Mütter von größeren Würfen verlassen das Nest im Vergleich häufiger. Dies lässt sich mit erhöhtem Stress durch die große Anzahl zu betreuender Welpen erklären. Kleine Würfe erhalten also mehr Fürsorge, Nahrung und Wärme während große Würfe für Mütter und Jungen Stress verursachen. (vgl. Priestnall 1972)


Karhumaa (2011) fasst zusammen, dass sich die Erfahrungen aus der Hobbyzucht mit den Ergebnissen verschiedener Untersuchungen bestätigen lassen. Die Zuchtauslese sollte sich auf die Geburt großer Würfekonzentrieren, von denen dann nur die besten vier Welpen aufgezogen werden sollen. Dies minimiert den Stress des Muttertieres und sichert eine optimale Entwicklung der Jungen zu guten Zuchttieren. 

mehr

Karhumaa, S. (2011): Breeding Mice - The Basics Ideal Size of Mouse Litters Or, Why Science Backs up Culling. http://www.hiiret.fi/eng/breeding/?pg=2&sub=7


Kirkpatrick, B. W., Arias, J. A., Rutledge, J. J. (1988): Effects of Prenatal and Postnatal Fraternity Size on Long-Term Reproduction of Mice, Journal of Animal Science, Vol. 66 (1). S. 62-69.

 

Kräh, S. (2018): Farbmäuse. https://ratfrett.jimdo.com/tiere/farbm%C3%A4use/

 

Nelson, R. E. & Robinson, O. W. (1976): Effects of Postnatal Litter Size on Reproduction of Female Mice. Journal of Animal Science, Vol. 42(4), S. 824-830.


Priestnall, R. (1972): Effects of Litter Size on the Behaviour of Lactating Female Mice (Mus musculus). Animal Behaviour, Vol. 20(2), S. 386–394.

 

TierSchG.  Tierschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 2006 (BGBl. I S. 1206, 1313). Zuletzt geändert durch Art. 1 G v. 17.12.2018 I 2586