Albinismus ist eine bei Wirbeltierren relativ weit verbreitete Pigmentstörung. Üblicherweise bezeichnet man Tiere mit vollständig weißer Körperoberfläche und roten Augen als (vollständige)
Albinos. Der Grund für diese Erscheinung ist eine Genmutation, das die Produktion von Pigmenten verhindert. Haut, Haar/Gefieder/Schuppen haben somit annähernd keine Pigmente und sind weiß, die
Augen sind rot.
Die bekanntesten Albinos sind sicherlich die weißen Mäuse und Ratten, welche seit vielen Jahrzehnten vorwiegend für Tierversuche gezüchtet werden. Jedoch ist Albinismus totalis, also das
vollständige Fehlen von Pigmenten, bei vielen weiteren Tierarten und auch dem Menschen nachgewiesen. Vom weißen Eselspinguin über Albino-Krokodile bis hin zum berühmten weißen Gorilla im Zoo von
Barcelona tritt Albinismus bei allen möglichen Arten auf. Jedoch ist nicht jedes rotäugig-weiße Tier automatisch ein Albino. Bei Mongolischen Rennmäusen, Vielzitzenmäusen und Sugar Glidern ist
die klassische Albino-Mutation (c/c) bisher nicht nachgewiesen, dennoch lassen sich durch die Kombination anderer Farb- und Zeichnungsgene Aufhellungsgene rein weiße Tiere mit roten Augen
erreichen.
Ebenso wird in der Umgangssprache häufig ein besonders helles oder rotäugiges Tier "Albino" genannt, obwohl es sich hier um andere Mutationen handelt. Ganz falsch liegt man damit nicht: die Pink Eye Dilution ist bekannt als Okulokutaner Albinismus Typ 2. Jedoch ist mit "Albino" meist der Typ 1 (vollständiger Albinismus) gemeint.
"When an individual totally lacks melanin in their skin, hairs and eyes and is incapable of making normal viable melanosomes, they are albino" (Romero et al. 2018)
Es ist also angemessen, bei Meldungen von Albinismus bei der einen oder anderen Tierart nicht automatisch von einer c/c-Mutation auszugehen.
In einer von Romero et al. (2018) veröffentlichten Liste über Albinismus bei Nagetieren findet sich auch der Degu (Octodon degus). Während Blue Dilution, dominante Scheckung, rezessiv Rot und neuerdings auch Non-Agouti bei Degus in Europa bekannt sind und gezüchtet werden, sind echte Albinos bisher nicht bekannt. Vollständig weiße Tiere erwiesen sich stets als Schecken mit hohem Weißanteil ("Superschecken") und haben zudem schwarze Augen.
Als Quelle für den albinotischen Degu werden Díaz & Verzi (2015) genannt. In ihrem Beitrag über die Gattung Octodon beschreiben sie O. degus wie folgt: "Pelage soft, yellowish brown dorsally, and yellowish cream ventrally; albino specimens occasionally observed" (ebd., S. 1032). Leider bleiben die Autoren eine Quelle für diese Meldung schuldig und der Artikel kommt vollständig ohne Fotos aus.
Eine weitere Recherche zu albinotischen Degus schafft auch keine Klarheit. Ein Kleintierratgeber erklärt, dass Albino-Degus mit roten Augen aufgetreten seien, liefert aber weder Quelle noch Foto (Beißwenger 2009, S. 8). Webseiten über Degus behaupten teilweise, albinotische Degus existierten oder würden sogar in den USA gezüchtet. Diese Quellen zeichnen sich jedoch auch allgemein nicht durch sachliche Richtigkeit der Texte und wissenschaftlich abgesicherte Inhalte aus.
Die Überprüfung der Liste von Romero et al. (2018) hat jedoch auch ergeben, dass diese nicht nur unvollständig ist, sondern wahrscheinlich auch
Fehler enthält. Die Autoren geben als Quelle für den Nachweis albinotischer Brandmäuse (Apodemus agrarius), Rötelmäuse (Myodes glareolus) und Feldmäuse (Microtus
arvalis) Łopucki &
Mroz (2010) an. Jedoch zeigt die Durchsicht der polnischen Studie, dass für A. agrarius ein hellbeiges Tier mit braunem Rückenstreifen, für M. glareolus ein
cremefarbenes Tier mit roten Augen und für M. arvalis je ein gelblich rotes ["Ruby (flavescent)"] Tier und eines mit weißen Haarspitzen gefunden wurden. (vgl. Łopucki & Mroz
2010)
Ebenso wird im Fall von albinotischen Brandmäusen auf Mäkelä & Viro
(1980) verwiesen. In deren Studie zu melanistischen Rötelmäusen wird die Brandmaus jedoch noch nicht einmal erwähnt.
Es bleibt also abzuwarten, ob und wann es einen Fotonachweis von albinotischen Exemplaren - möglicherweise in wildlebenden Populationen - geben wird.
mehr
Beißwenger, A. (2009): Degus. Gräfe und Unzer, München
Díaz, M.; Barquez, R. & Verzi, D. (2015): Genus Octodon Bennett, 1832. In: Patton, J.; Pardiñas, U. & D’Elía, G. (Hrsg.): Mammals of South America, Vol. 2: Rodents. University of Chicago Press, Chicago. S. 1029–1035.
Łopucki, Rafał & Mróz, Iwóna (2010): Cases of colouration anomalies in small mammals of Poland, and reasons for their incidence. Annales Universitatis Mariae Curie-Skłodowska LXV, 1.https://www.degruyter.com/downloadpdf/j/umcsbio.2010.65.issue-1/v10067-011-0006-4/v10067-011-0006-4.pdf
Mäkelä, K. A. & Viro, P. (1981): Two colour mutants of the bank vole Clethrionomys glareolus (Schreber,1780) in Central Finland. Zeitschrift für Säugetierkunde 46, S. 264-266. Download: http://www.zobodat.at/pdf/Zeitschrift-Saeugetierkunde_46_0264-0266.pdf
Romero, V.; Racines-Márquez, C. E. & Britob, J. (2018): A short review and worldwide list of wild albino rodents with the first report of albinism in Coendou rufescens (Rodentia: Erethizontidae). In: Mammalia 82(5), Februar 2018. DOI: 10.1515/mammalia-2017-0111