Das Interesse für den einheimischen Feldhamster (Cricetus cricetus) ist in den letzten Jahren gestiegen. Das liegt auch an der Populationsentwicklung im deutschsprachigen Raum. Während die Art in einigen Gebieten durch die industrielle Landwirtschaft verschwindet oder nur durch umfassende Schutzmaßnahmen und Wiederansiedelungsprojekte gehalten werden kann, verbreitet sie sich in anderen Lebensräumen wie zum Beispiel dem Wiener Stadtgebiet zusehens.
Als Heimtier war der Feldhamster bereits in der Vergangenheit immer mal wieder im Handel zu bekommen. In Haustieratgebern von Schwammberger (1968) und Schmidt (1985) wird detailliert über die Haltungsbedingungen informiert. Auch in letzter Zeit finden sich immer wieder Angebote und Gesuche zu den großen Hamstern. Nicht nur die imposante Größe macht diese Tiere zu interessanten Heimtieren, sondern auch die ungewöhnliche Fellfärbung mit schwarzem Bauch, orangebraumen Rücken und hellen Abzeichen im Gesicht und an den Flanken. Hierbei ist zu beachten, dass die Entnahme aus der Natur, ebenso wie bei den meisten anderen Säugetierarten in Deutschland nicht erlaubt ist. Im Jahr 2015 bot mir ein englischer Händler schwarze Feldhamster an. Diese Farbmorphe ist schon seit langer Zeit dokumentiert und besonders in Thüringen weit verbreitet (Zimmermann 1968). Jedoch sind bei Cricetus cricetus noch weitere Farbvarianten beschrieben, die weniger bekannt sind.
typischer und atypischer Melanismus
Zimmermann & Handtke (1967) erklären, dass es zwei Typen von schwarzen Feldhamstern gibt, die sich nicht nur phänotypisch sondern auch genotypisch unterscheiden. Die schwarzen Individuen in Thüringen und ebenso die Tiere die hin und wieder im Handel angeboten werden entsprechen dem typischen Melanismus. Das Fell ist vollständig schwarz und die Tiere zeigen teilweise ein weißes Kinn oder weiße Vorderpfoten. Die Mutation ist nach Petzsch (1940) dominant.
Der atypische Melanismus dahingegen zeigt noch "große Reste der Normalfärbung" (Zimmermann & Handtke 1967). Die ansonsten dreifarbige Fellzeichnung ist durchgehend verdunkelt. Also auch die ansonsten weißen Partien sind betroffen. Dennoch wirken diese Tiere im Vergleich zu den typischen Melanos eher schwarzbraun als schwarz.
Albinismus und Teilalbinismus
Im Frühsommer 2017 postete die AG Feldhamster auf Facebook ein Video von einem rein weißen Feldhamster. Ob es sich bei dem Tier um einen rotäugigen Albino oder ein leuzistisches Tier mit schwarzen Augen handelt, ist kaum zu erkennen. Kayser & Stubbe (2000) nennen in ihrer Bestandsaufnahme der Farbvarianten des Feldhamsters beide Möglichkeiten.
Neben vollständig weißen Tieren sind vor allem solche mit weißer Scheckung dokumentiert. Schröder et al. (2013) beschreiben ein erhöhtes Aufkommen
gescheckter Tiere, vor allem solche mit weißem Kehl- oder Brustfleck oder weißen Vorderbeinen, in der Region Belgien/Niederlande/Nordrhein-Westfalen und führen die relative Häufigkeit darauf
zurück, dass diese Hamsterpopulation relativ klein und isoliert ist. Die genetische Variabilität ist gering: 67 - 100% der gesammelten Individuen dieser Region haben weiße Flecken. In östlicheren
Populationen nur 0 - 8%. (Bild)
Abbildungen von Krystufek et al. (2016) zeigen Bälge mit weitaus stärkerer Scheckung. Ein wildfarbenes Exemplar erinnert an die Banded-Zeichnung von
Goldhamster oder Akazienratte. Ein schwarzes Exemplar weist eine eindeutige Kragenscheckung auf, wie sie bei Monglischen Rennmäusen oder auch Degus bekannt ist.
Gelb, bicoloured, stavropolicus und eisengrau
Über die oben genannten Farbvarianten hinaus anerkennen Kayser & Stubbe (2000) in ihrer Zusammenstellung nur noch eine flavistische Form namens Yellow, deren Ursache sie als Mutation des Extension-Locus vermuten. Krystufek et al. (2016) identifizieren in der wohl aktuellsten Untersuchung sechs Farbvarianten. Neben den beiden melanistischen Formen, weißen und gescheckten Tieren, wird unter der Bezeichnung "bicolored" eine Variante beschrieben, dem die die bei der Nominatform typischen weißen Abzeichen komplett fehlen. Die Ähnlichkeit zu dem bei (Quelle wird nachgereicht) abgebildeten gelben Tier ist hoch. Wahrscheinlich handelt es sich hier um die gleiche Variante. Darüber hinaus beschreiben Krystufek et al. (2016) den sogenannten stavropolicus-Typ mit reduzierten weißen Abzeichen. Ein unter dieser Bezeichnung abgebildeter Balg ist zudem viel dunkler als der Wildtyp.
Petzsch (1960) widmet einem "eisengrauen" Feldhamster einen eigenen Artikel im Zoologischen Anzeiger. Diese Beschreibung wird von Zimmermann & Handtke (1967) in ihrem Artikel zum atypischen Melanismus zwar genannt, jedoch bleibt unklar, ob sie diese Farbvariante anerkennen oder dem relativ variablen atypischen Melanismus zuschreiben. In neuerer Literatur, die die verschiedenen Farbformen aufzählt (Krystufek et al. 2016) bleibt "eisengrau" ungenannt.
Die Fülle an dokumentierten Farbmorphen fassen Kayser & Stubbe (2000) in zwei Sätzen erklärend zusammen wie folgt zusammen: "reine Albinos,
weiße Tiere mit dunklen Augen, gelbe (flavistische), gescheckte Individuen und Teilalbinos. Neben weiß, gelb, rot und schwarz wurden auch alle Formen von intermediären Typen wie
sandfarben und "eisengrau" gefunden".
Letztendlich lassen sich die bekannten Farbformen ohne ihre Zwischenstufen jedoch auf sechs unterscheidbare Varianten herunterbrechen:
Variante | Quelle |
Schwarz | |
typischer Melanismus | Zimmermann & Handtke (1967) |
atypischer Melanismus | Zimmermann & Handtke (1967) |
Eisengrau (wahrscheinlich atypischer Melanismus) | Petzsch (1960) |
Weiß | AG Feldhamsterschutz (2017) |
Albinismus (rote Augen) | Kayser & Stubbe (2000) |
Leuzismus (dunkle Augen) | Kayser & Stubbe (2000) |
Gelb | |
Gelb (Flavismus) | Kayser & Stubbe (2000) |
Bicoloured (wahrscheinlich Flavismus) | Krystufek et al. (2016) |
stavropolicus | Krystufek et al. (2016) |
Scheckung | |
Gescheckt (Weißbrust, Kragenscheckung, Gürtelscheckung) | Schröder et al. (2013); Krystufek et al. (2016) |
Anstoß für diesen Artikel hat ein Foto eines Feldhamsters aus Wien gegeben. Das Tier hat ein für die Art sehr untypisch weißes Gesicht. Bei der Lektüre der Beschreibungen kann diese Form keiner der beschrieben Farbanomalien zugeordnet werden. Es bleibt also spannend, ob sich hier bei den Wiener Stadthamstern eine neue Variante entwickelt hat.Mehr Informationen und Bilder zu den Feldhamstern im Wiener Stadtgebiet finden sich hier: http://feldhamster-in-wien.blogspot.de/
Verwendete Literatur
AG Feldhamsterschutz (2017): Weißer Feldhamster. https://www.facebook.com/feldhamster.de/videos/1376811689062707/
Kayser A. & Stubbe M. (2000): Colour variation in the common hamster Cricetus cricetus in the north-eastern foot-hills of the Harz Mountains. Acta Theriologica 45: S. 377-383.
http://rcin.org.pl/Content/13028/BI002_27023_Cz-40-2_Acta-T45-nr35-377-383_o.pdf
Krystufek, Boris; Pozdnyakov, Alexandr; Ivajnsic, Danijel; Janžekovič, Franc (2016): Low phenotypic variation in eastern common hamsters Cricetus cricetus. Folia Zoologica, 65. S. 148 - 156
Petzsch, H. (1939): Neue Fundnachweise von Farbspielen des Hamsters (Cricetus cricetus L.). Zool. Anz. 125 S. 269-270.
Petzsch, H. (1940): Vererbungsuntersuchungen (I.) an Farbspielen des Hamsters (Cricetus cricetus L.). Z. f. Tierz. u. Züchtungsbiol. 48. S. 67-83.
Petzsch, H. (1960): “Eisengraues” Farbspiel des Hamsters (Cricetus cricetus cricetus Linné, 1758). Zoologischer Anzeiger 165 (11/12). S. 418-422.
Petzsch, H. (1949): Über anomale Weißscheckung bei der Hausmaus (Mus musculus) und beim Hamster (Cricetus cricetus). In: Mitteilungen Museum für Naturkunde und Vorgeschichte und Naturwissenschaftlicher Arbeitskreis. Band 2, Nr. 1, 1949, S. 1–8.
Schmidt, Günther (1985): Hamster, Meerschweinchen, Mäuse. Ulmer, Stuttgart.
Schröder, Oskar; Astrin, Jonas & Hutterer,Rainer (2013): White chest in the west: pelage colour and mitochondrial variation in the common hamster (Cricetus cricetus) across Europe. Acta Theriol. DOI 10.1007/s13364-013-0158-5
Schwammberger, Karl (1968): Kleine Säugetiere - richtig gepflegt. Kosmos Franckh, Stuttgart.
Zimmermann, Wolfgang (1968): Die gegenwärtige Verbreitung melanistischer Hamster (Cricetus cricetus L.) in Thüringen und Bemerkungen zu deren Morphologie.
http://public.bibliothek.uni-halle.de/index.php/hercynia/article/viewFile/1522/1574
Zimmermann, Wolfgang & Handtke, Kuno (1967): Atypischer Melanismus beim Gemeinen Hamster Cricetus cricetus L. im Nördlichen Harzvorland und in der Magdeburger Börde. http://docplayer.org/40672679-Atypischer-melanismus-beim-gemeinen-hamster-magdeburger-boerde.html