Immer wieder berichten Mitglieder in Foren und Facebook-Gruppen von geretteten und aufgepäppelten Wildtieren. Vor einigen Jahren dachte man schon fast an einen Trend in der Rattenhaltung, möglichst eine Wanderratte oder zumindest "Halbwilde", also Jungtiere von zahmer Farbratte und wilder Wanderratte, im Rudel zu haben. Auch einheimische Mäuse und andere Säugetiere finden ab und zu den Weg aus der Natur ins Haus und werden länger oder kürzer gehalten. Das Aufziehen von Jungtieren oder kurzfristige Gesundpflegen von kranken Individuen bis zum sachgemäßen Zurückführen in die Natur ist dabei wohl die häufigste Vorgehensweise.
Oftmals aber ist es nicht möglich, ein Tier wieder auszuwildern und es muss in Pflege bleiben. Dies ist bei den meisten Tieren in adäquater Haltung oft wenig dramatisch. Was einige Tierfreund_innen jedoch nicht bedenken, ist, dass es gesetzliche Regelungen gibt, gegen die sie eventuell verstoßen könnten.
Als erstes wäre hier das Jagdrecht zu nennen, dem sämtliche Huftiere von Wildschwein bis Mufflon, alle Raubtierarten, alle Hasenartigen und mit dem Murmeltier auch eine Nagetierart unterstehen. (BJagdG)
Jedoch gelten auch für alle anderen Säugetierarten Schutzbestimmungen, sodass diese nicht ohne Weiteres gestört, aus der Natur entnommen oder gar als Heimtier gehalten werden werden können.
Im Fall von Igeln und Eichhörnchen hat sich dies bereits herumgesprochen, nicht jedoch für einige andere Arten.
Die Bundesartenschutzverordnung (2005) ist an dieser Stelle relativ klar. Die Anlage 1 nennt eine streng
geschützte Säugetierart: Die erst 1962 entdeckte und wahrscheinlich kurz darauf ausgestorbene Bayerische Kleinwühlmaus (Microtus bavaricus). Alle anderen heimischen
Säugetiere sind besonders geschützt.
Alle heimischen Säugetiere? Nein, nicht alle. Ausgenommen sind die zuvor bereits genannten jagbaren Wildarten aus § 2 Abs. 1 BJagdG. Ebenso sind ausgenommen die sogenannten FFH-Arten aus Anhang IV der Richtlinie
92/43/EWG (gemäß Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) § 7
Absatz 2 Nummer 13 b Doppelbuchstabe aa). Hier sind vor allem Fledermäuse hervorzuheben, aber auch Feldhamster, Ziesel, Baumschläfer, Haselmaus, Birkenmaus und Biber. Diese Tiere stehen unter
besonderem Schutz der EU. Ähnliches gilt für Arten, die in Anhang A und Anhang B der Verordnung (EG) Nr. 338/97 (gemäß BNatSchG § 7 Absatz 2 Nummer 13 a) vorkommen. Derzeit
fällt keine einheimische Art der Nagetiere, Hasentiere oder Insektenfresser unter diese Anhänge. Bei den Raubtieren sind Fischotter und Wildkatze zu nennen.
Nun sehen wir, dass nach bundesdeutschem und europäischem Recht so gut wie jedes Säugetier durch mindestens ein Gesetz geschützt wird. Dennoch gibt es offenbar auch hier wieder Ausnahmen, die vollkommen ohne Arten- oder Naturschutz auskommen. Eine auf den ersten Blick etwas kurios anmutende Liste von zwölf Arten klammert die BArtSchV dezidiert aus:
- Schermaus (Arvicola terrestris)
- Rötelmaus (Clethrionomys glareolus)
- Erdmaus (Microtus agrestis)
- Feldmaus (Microtus arvalis)
- Hausmaus (Mus musculus)
- Wanderratte (Rattus norvegicus)
- Hausratte (Rattus rattus)
Die ersten sieben Arten dieser Liste sind allgemein als Ernte- und Vorratsschädlinge bekannt. Während Hausmaus und Wanderratte bis in Wohnhäuser vordringen, findet man Feldmaus, Erdmaus und
Rötelmaus eher auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Schermaus und Hausratte sind heute nicht mehr so verbreitet wie in früheren Zeiten. Die aquatische Form der Ostschermaus geht aufgrund des
schwindenen Lebensraums in den Beständen zurück. Schäden entstehen eher bei hoher Bevölkerungsdichte der terrestrischen Form (z.B. in Obstplantagen). Die Hausratte ist in Deutschland mittlerweile
so selten geworden, das man sie in manchen Bundesländern gar nicht mehr finden kann (Hessen, NRW, Schleswig-Holstein). Sie gilt in Deutschland als vom Aussterben bedroht, weltweit gesehen sind
die Bestände jedoch stabil und ungefährdet.
Fünf weitere Arten, für die es keine besonderen Artenschutzgesetze gibt, sind die folgenden:
- Amerikanischer Nerz (Mustela vison)
- Nutria (Myocastor coypus)
- Marderhund (Nyctereutes procyonoides)
- Bisamratte (Ondatra zibethicus)
- Waschbär (Procyon lotor)
Hier handelt es sich um Neozoen, also um ursprünglich nicht in Deutschland heimische Tiere. Bei ihnen handelt es sich um Pelztiere, die zu Jagdzwecken gezielt in der Natur ausgesetzt wurde, aus Farmen entfliehen und sich ausbreiten konnte. Da unter dem Stichwort der Faunenverfälschung oft auch die Befürchtung negativer Auswirkungen auf das natürliche Ökosystem verbunden ist, sind die meisten Neozoen nicht gern gesehen.
Unabhängig davon, ob und welche Artenschutz- oder Jagdgesetze bei der jeweiligen Tierart nun angewandt werden: Tierschutzgesetz (TierSchG) und das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) gelten uneingeschränkt für jedes Tier:
Bundesnaturschutzgesetz
Abschnitt 2: Allgemeiner Artenschutz
§ 39 Allgemeiner Schutz wild lebender Tiere und Pflanzen; Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen
(1) Es ist verboten,
1. wild lebende Tiere mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten,
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