Neue gesetzliche Mindestanforderungen

Nach langer Bearbeitungszeit hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) das neue Gutachten über die Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren nun endlich veröffentlicht. Dieses neue Gutachten löst die vorherige Version von 1996 ab und wartet direkt im Abschnitt I mit einer grundlegenden Änderung auf:

2. Der Anwendungsbereich dieses Gutachtens umfasst grundsätzlich die Haltung aller im Gutachten behandelten Säugetiere wildlebender Arten sowie in den Kapiteln benannte domestizierte Formen, insbesondere in privaten Haushalten. (BMEL 2014, S. 9)

 

Nachdem private Halter_innen, wie von mir noch vor einigen Jahren erklärt, in vielen Fällen keine gesetzlichen Mindestmaße einzuhalten hatten und einzig das Tierschutzgesetz als rechtliche Interpretationsgrundlage hatten, dient nun das neue Gutachten als Orientierungsgrundlage. Was heißt dies also für die Arten die häufig privat gehalten werden?

Neben simplen Linealangaben zu Gehegeabmessungen finden in dem Gutachten auch weitere Hinweise zu Gehegeeinrichtung und -begrenzung, klimatischen und Haltungsansprüchen, Tierbestandsmanagement, Ernährung und Pflege. Auf diese wird hier jedoch nicht eingegangen, sondern lediglich der Platzbedarf bzw. gesetzliche Mindestmaße besprochen.

 

Dass das neue Gutachten seine Schwächen hat, zeigt sich nicht nur während des Lesens des Hauptteils sondern auch in den Differenzprotokollen verschiedener Interessensvertretungen im Anhang. Aber dazu komme ich weiter unten.

IV.2 Beutelrattenartige

Für Kurzschwanz-Zwergopossums gilt von nun an:

"Spitzmaus- oder Zwergbeutelratten benötigen mindestens 0,5 m² und 0,5 m³ (Höhe mindestens 1 m) für 1 Tier. Für die Haltung von 2 Tieren ist eine Vergrößerung der Fläche um mindestens 50% vorzusehen" (S. 30)

Kurzschwanz-Zwergopossum (Monodelphis domestica)
Kurzschwanz-Zwergopossum (Monodelphis domestica)

IV.15 Nagetiere

15.4 Mäuseartige (und wohl versehentlich auch Degus)

Der Raumbedarfbezieht sich auf die Mindestmaße für die Haltung von ein bis zwei Tieren. Bei Gruppenhaltung sind für jedes weitere erwachsene Tier 20% der Fläche hinzuzurechnen.

Kleine Mäuse und Hamster mindestens 0,3 m² 
z. B. kleine Rennmäuse (Gerbillus, Dipodillus), Zwergstachelmaus (Acomys spinosissimus), Eurasische Zwergmaus (Micromys minutus), Kaktusmaus (Peromyscus eremicus), Hirschmaus (Peromyscus maniculatus), Zwerghamster (Phodopus).

 

Mittelgroße Mäuse und Hamster mindestens 0,5 m²

z. B. Steppenlemming (Lagurus lagurus), Streifengrasmäuse (Lemniscomys), Wühlmäuse (Arvicolinae), Goldhamster (Mesocricetus auratus), Grasratten (Arvicanthis), mittlere Rennmäuse wie Mongolische Rennmaus (Meriones unguiculatus), Stachelmäuse (Acomys)

 

Große Mäuse mindestens 0,75 m²

z. B. große Rennmäuse wie Persische Rennmaus (Meriones persicus) und Fette Sandratte (Psammomys obesus)

 

Springmäuse mindestens 1 m²
z. B. Wüstenspringmäuse (Dipodinae) und Pferdespringer (Allactaginae).

Große Ratten, Feldhamster mindestens 2 m²

z. B. Riesenhamsterratten (Cricetomys), Schwimmratten (Hydromys), Bisamratte (Ondatra zibethicus), Wanderratte (Rattus norvegicus) und Hausratte (R. rattus).


Zur Gehegehöhe gibt es ebenfalls einige Angaben
Kleine bodenbewohnende Arten mindestens 40 cm, 

Mittelgroße bodenbewohnende Arten 50–60 cm,
Große bodenbewohnende Arten mindestens 70 cm Höhe
Springmäuse mindestens 80 cm.


Für kletternde Arten zu denen das BMEL auch Knirpsmäuse (Mus minutoides) zählt werden "deutlich höhere Gehege als für überwiegend bodenlebende Arten benötigt" (S. 135):
Kleine Arten mindestens 50 cm
Mittelgroße Arten mindestens 75 cm
Große Arten mindestens 100 cm Höhe

Klarer Fall: Hirschmäuse brauchen nach dem Gesetz 0,3qm pro Paar
Klarer Fall: Hirschmäuse brauchen nach dem Gesetz 0,3qm pro Paar

15.10 Chinchillas

Der vom Gesetzgeber festgestellte Raumbedarf für Eigentliche Chinchillas (Chinchilla) beträgt 1 m² für ein Paar, für jedes weitere Tier 0,5 m² zusätzlich, bei einer Mindesthöhe von 1,50 m. (S.149)

15.14 Trugratten

Das BMEL stellt in Abschnitt IV 15.14 (Trugratten) fest: "Hier wird nur der Degu behandelt. Cururos sind ähnlich zu halten wie Blindmäuse (Spalacidae) oder Graumulle (aus der Familie Sandgräber)."

Degus
Mindestens 0,5 m² für 2–3 Tiere, für jedes weitere Tier 0,1 m² zusätzlich, bei einer Mindesthöhe von 1 m. (S. 156)


Cururos
Aus dem Abschnitt für Blindmäuse:

mindestens 0,5 m², 50 – 60 cm Höhe. (S. 139)

 

Aus der Empfehlung für Graumulle (Cryptomys):

"1 m² für eine Gruppe von bis zu 10 Tieren, für jedes weitere Tier 0,1 m² mehr; 0,6 m hoch." (S. 145)

IV.21 Raubtiere

Frettchen

"Frettchen : Mindestens 4 m² und 2,5 m Höhe für 2 Tiere; für jedes weitere erwachsene Tier 2 m² und 2,5 m Höhe mehr." (S. 197)

Was bedeutet das für die private Haltung?

Dieses neue Gutachten bedeutet eigentlich, dass Tierhalter_innen welche ihre Tiere auf weniger Raum pflegen, nun ihre Haltung umstellen müssten. Das BMEL erklärt jedoch in Kapitel II 5.2 (S. 19):

Und im Anhang auf Seite 245 finden wir:

Kaninchen

Meerschweinchen

Hamster

Farbratten

Farbmäuse

Mongolische Rennmäuse

Stachelmäuse

Degu

Streifenhörnchen

Frettchen

Kurzschwanzopossum

Kurzohr-Rüsselspringer

Afrikanische Weißbauchigel

Ägyptische Langohrigel

Kleine Igeltanreks

Afrikanische Zwergschläfer

Aalstrich-Klettermäuse

Afrikanische Knirpsmäuse

Akazienratten

Eurasische Zwergmäuse

Vielstreifengrasmäuse

Vielzitzenmäuse

Turkmenische Maushamster

Kaktusmäuse

Blasse Rennmäuse

Buschschwanz-Rennmäuse

Fette Sandratten

Fettschwanz-Rennmäuse

Persische Rennmäuse

Graue Steppenlemminge

Levante-Wühlmaus

Hellbraune Wieselmeerschweinchen

Cururo

 

Zur Haltung dieser Arten wird "gebeten", sich an den Schulungsordner des Bundesverbands für fachgerechten Natur- und Artenschutz e.V. (2003) und eventuelle Neufassungen "zu beachten". Dieser kostet 130,00 Euro.

 

Unklar: Welche Bestimmungen gelten nun für Campbell-Zwerghamster?
Unklar: Welche Bestimmungen gelten nun für Campbell-Zwerghamster?

Interessant: Der Anhang

Im Anhang des Gutachten finden sich Differenzprotokolle verschiedener Vertreter_innen. Für die Zooverbände stellen Dollinger, Kauffels und Pagel (2014) fest:
"Der Anwendungsbereich des Gutachtens [wurde] nicht auf Wildtiere beschränkt, sondern [...] auf 'in den Kapiteln benannte domestizierte Formen' ausgeweitet. Im Falle der Kleinnager führt dies zu Rechtsunsicherheiten." (S. 275)

Und dann weiter zu dem oben genannten Abschnitt II 5.2: "Bezüglich der kleinen Heimtiere entbehrt der Anhang der Logik. Es gibt zahlreiche weitere Kleinnager, die nicht schwieriger zu halten sind, als die im Anhang genannten."

Screenshot von Seite 287
Screenshot von Seite 287

"Die üblicherweise für die Nagetierhaltung verwendeten Behälter weisen in der Regel andere Höhen auf als angegeben (0,30 m statt 0,40 m / 0,40 m statt 0,50 m), was aber bei bodenlebenden [Mäuse-]Arten zu keiner Verschlechterung der Tierhaltung führt. Eine Gehegehöhe von 0,80 m für Springmäuse ist nicht nachvollziehbar. Erfahrungsgemäß springen diese zwar weit aber nicht hoch." (S. 287)

Unterm Strich

Die Einschätzung der Zoovertreter_innen deckt sich mit meiner eigenen. Wieder einmal ist es kaum möglich zu sagen, woran man sich bei der Haltung von Hauskaninchen, Farbratten, Degus, Cururos und Zwerghamstern nun zu halten hat. Es gibt teilweise mehrere unterschiedliche Angaben (drei verschiedene für Cururos und Degus), oder Tiere werden gar nicht erst genannt (Chinesischer Zwerghamster).
Zwar gibt es die Empfehlung, sich bei einer Auswahl von Tierarten an benannten Schulungsordner des BNA e.V. zu halten, jedoch muss man sich diesen erst einmal leisten. Und selbst nach dieser Lektüre ist unklar, ob die darin enthaltenen Angaben nun rechtsverbindlich sind, oder nicht.

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Kommentare: 3
  • #1

    Hannah Geipel (Samstag, 21 Juni 2014 20:03)

    Ganz egal, was dieses Gutachten besagt sollte jedem Halter bewusst sein, je mehr Platz das Tier hat, desto wohler fühlt es sich, desto ausgeglichener ist es und der Bewegungsdrang kann somit auch befriedigt werden. Wer das nicht verstanden hat sollte bitte kein Tier halten. Auch sollten die viel zu kleinen Käfige, die leider immernoch in Zoogeschäften verkauft werden verboten werden, damit unerfahrene Halter nicht wirklich glauben, dass dieser Platz für ihr Tier ausreicht. Das wäre doch der nächste Schritt in die richtige Richtung.

  • #2

    Claudia (Samstag, 14 März 2015 17:43)

    Lasst die Tiere doch einfach in der Natur..

  • #3

    ratfrett (Montag, 16 März 2015 16:21)

    Ich würde mir wünschen, dass meine Artikel mit einer ähnlichen Sorgfalt gelesen werden würden, wie sie geschrieben sind.
    Und dass Kommentare ein Mindestmaß an Inhaltlichkeit haben...