Degus (Octodon degus) haben in Europa einen wahren Siegeszug hinter sich gebracht. Als ich Anfang der 00er Jahre meine ersten Tiere erhalten habe, waren Sonderfarben kaum verbreitet bzw.
noch vollkommen unbekannt. Mittlerweile hat sich durch entsprechende Mutationen eine kleine Palette von Farbschlägen etabliert. Ebenso kommen immer wieder neue Mutationen hinzu, welche mit den
bestehenden Farben kombiniert werden können. Aufgrund der relativ dürftigen Quellenlage zu verschiedenen Farbformen, deren Vererbung und Hintergrund habe ich mich entschlossen, die drei derzeit
etablierten Farb- und Zeichnungsmutationen sowie deren Kombinationen vorzustellen und einen genetischen Code für den Degu vorzuschlagen.
Grundlage für diese Benennung sind Parallelen zu Farbschlägen und Mutationen bei anderen Nagetieren. Wie die kuriose Namenswahl für Farbvariationen bei Zwerghamstern und teilweise Goldhamstern sowie die damit verbundene Verwirrung unter Nagetierzüchter_innen zeigt, ist eine
artübergreifend vereinheitlichte Nomenklatur für analoge Genmutationen anzustreben.
Vorschlag eines Gencodes
Der vorläufig vorgeschlagene Gencode besteht aus den Symbolen D, E und W. Hierbei handelt es sich um die Bezeichnungen für die drei etablierten Mutationen. Im Folgenden werde ich die Wahl der
Symbole und Bestimmung der Mutationen begründen. Treten neue Mutationen auf, kann der Gencode beliebig erweitert werden.
Um Verwirrungen auszuschließen, da einige Züchter_innen von anderen Nagetieren gewohnt sind, dass Gencodes mit A, B und C beginnen: Mutationen auf den Loci A (Agouti), B (Brown) und C (Colour)
sind bei Degus noch nicht vorgekommen. Erst wenn schwarze (a/a), zimtfarbene (b/b) oder albinotische (c/c) Tiere auftreten, wird der Gencode ergänzt und in gewohnter Weise (A/- B/- C/- D/- E- w/- ) zu lesen sein.
siehe hierzu auch: Genetik in 5 Minuten
Agouti
Die Wildfarbe oder Normalfarbe des Degus ist oberseits gelblich-braun, auf der Körperunterseite, im Nacken und um die Augen ist das Fell deutlich heller. Die Schwanzquaste ist dunkelbraun.
Das Rückenhaar weist eine dreifache Bänderung auf. Basis und Spitze sind dunkelschiefergrau bzw. schwarzbraun, der Mittelteil ist braungelb.
Allgemein wird die Wildfarbe bei vielen Nagetierarten als Agouti bezeichnet und verweist damit auf Agutis (Dasyprocta) die ebenfalls ein gebändertes Fell haben. Im Normalfall wird die Bezeichnung Agouti dann verwendet,
wenn auch das entsprechende Gegenteil Non-Agouti, also ein vollkommen schwarzes Tier, vorkommt. Die Bezeichnung ist bereits hinreichend etabliert
gewesen bevor die Non-Agouti-Mutation bekannt war. Im Jahr 2014 ist spontan ein schwarzes Tier in einem Wurf aufgetreten, bei dem es sich höchstwahrscheinlich um Non-Agouti
handelt.
Blue Agouti
Symbol |
Mutation |
Synonyme |
d | Dilution | Blue Agouti, Blau, Silber, Grau, Champagne |
Diese Mutation gibt es durchgehend seit etwa 1998 und wurde in den folgenden Jahren unter verschiedenen Bezeichnungen vertrieben. Während anfangs noch häufig Silber/Silver und Grau/Grey gesagt wurde und man hellere und dunklere Tiere mit verschiedenen Namen belegt wurden, hat sich heute die Bezeichnung Blau/Blue annähernd durchgesetzt.
Name
Die Bezeichnung der Fellfarbe die durch die Dilute-Mutation hervorgerufen wird, unterscheidet sich von Art zu Art. So nennt man sie bei Dsungarischen Zwerghamstern Saphir und bei Campbell-Zwerghamstern Opal. Da die Benennung von Varianten bei Farbmäusen sehr systematisch, nachvollziehbar und gut etabliert ist, ist die Bezeichnung Blue Agouti bei Farbmäusen, Ratten und immer mehr auch Rennmäusen weit verbreitet. Deshalb wird auch in Hinblick auf die Möglichkeit, dass (wieder) Non-Agouti auftaucht und dadurch der echte Farbschlag Blau (a/a d/d) möglich wird, die Bezeichnung Blue Agouti vorgeschlagen.
UPDATE 02/2015: Non-Agouti ist aufgetaucht. Es ist eine Frage der Zeit, wann die ersten einfarbig blauen Degus angeboten werden.
Besonderheiten
Nach wie vor gibt es Quellen aus denen hervorgeht, dass es wahrscheinlich zwei verschiedene Blau-Typen geben oder gegeben haben soll. Auch hier wird zwischen einem an Non-Agouti erinnernden Blue und einem Champagne unterschieden
(gleichzeitig wird auch noch von einem in den Niederlanden einmalig aufgetretenen schwarzen Degu berichtet). Im Herforder Schulzoo (geschlossen 09/2014) sollen "Silberdegus" gezüchtet worden
sein, die keine Bänderung des einzelnen Haares aufwiesen und dadurch sehr dunkelschiefergrau sind. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die blauen Tiere in Europa bisher(!) allesamt Blue
Agouti (d/d) sind.
Red
Symbol |
Mutation |
Synonyme |
e | Extension | Rot, Red, Gelb, Semmelgelb, Sandy, Sand, Beige |
Geschichte
Das erste mir bekannte rote Tier wurde etwa um 2004 auf einer Heimtiermesse in Deutschland gezeigt. Kurze Zeit später wurde das Foto dieses treffenderweise als "semmelgelb" bezeichneten
Tieres in einschlägigen Foren verbreitet. Das Gerücht war im Umlauf, dass dieses Exemplar für sehr viel Nachwuchs sorgen sollte, der dann auf einen Schlag mit großem Profit verkauft werden würde.
Das geduldige Warten hatte sein Ende, als 2007 die Information gestreut wurde, dass dieses semmelgelbe Tier nie nachgezogen haben soll.
Ob die als sandy/sandfarben bezeichneten Tiere, die etwa um 2011 wahrscheinlich aus den USA nach Deutschland importiert wurden, etwas mit diesem Semmelgelben zu tun hatten ist unklar.
Während die aktuell angebotenen Tiere sich von ihren wildfarbenen Artgenossen nur in Bezug auf die Fellfarbe unterschieden, war der semmelgelbe Degu deutlich größer und hatte eine andere
Kopfform.
Eigenschaften
Die Extension-Mutation ist rezessiv und bewirkt homozygot die Ausbreitung des roten Phäomelanins im gesamten Haar, sodass kein dunkles Eumelanin mehr sichtbar ist. Das Fell ist an den Spitzen vollkommen rotgelb und wird zur Wurzel hin immer heller bis lichtgrau. Einen ähnlichen Effekt finden wir auch bei Farbmäusen, Fuchs-Pferden und vielen roten Wildtieren (Artikel zur Eichhörnchen-Farbgenetik).
Name
Die meistverwendete Bezeichnung Sand/Sandy wird der Farbintensität der Mutation kaum gerecht. Die bei der Vorstellung der Farbe verwendete Bezeichnung Semmelgelb konnte sich
jedoch ebensowenig durchsetzen wie Gelb, Beige und Creme. Letzteres wird mittlerweile wohl vermehr für die Kombinationsfarbe von Rot und Blue Agouti verwendet.*
Es gibt verschiedene Mutationen, welche eine rote Fellfärbung verursachen. Diese ist bei Ay-Mäusen und Mandarin-Zwerghamstern dominant. Die rezessive Mutation, wie sie bei
Degus vorkommt, ist bei Nagetieren relativ selten. Erst vor wenigen Jahren ist die bei Farbmäusen aufgetreten und wird Recessive Red bzw. Recessive Yellow genannt. Die Wildfarbe
bei Eichhörnchen wird sowohl in der Zucht als auch allgemein Rot genannt, bei einzelnen Hunderassen wird in Bezug auf dieses Gen ebenfalls von Rot/Red gesprochen.
Der Vorschlag an dieser Stelle ist, den Farbschlag klar mit Red zu benennen und von der eher
schwammigen Bezeichnung Sand/Sandy/Sandfarben abzukommen (besonders in Hinblick auf die Farben die noch auftreten werden).
Besonderheiten
* Davon ausgehend, dass die Kombination von d/d und e/e einige Nuancen heller ist als das einfache Rot, wird es bald unumgänglich sein, beide Farbschläge auch in der Benennung voneinander zu unterscheiden. (s.u.)
Scheckung
Symbol |
Mutation |
Synonyme |
W | Scheckung | White, Punktschecke, Starkschecke, Superschecke |
Geschichte
Wann und wo der erste Degu mit weißem Punkt auf der Stirn geboren wurde, lässt sich leider kaum mehr feststellen. Die ersten gescheckten Degus sind mir etwa 2004 noch vor den roten Tieren
aufgefallen. Bereits ein Jahr später sind die Schecken in den Einzelhandel gekommen, was sehr ungewöhnlich war: Neue Farben und Mutationen halten sonst länger durch, bis sie in die Vitrinen der
Zoofachmärkte durchsickern. Neben der aktuell vorherrschenden soll es vormals noch eine weitere Scheckungsmutation gegeben haben. Ich konnte jedoch keine bestätigenden Informationen hierzu
finden.
Eigenschaften
Die Mutation ist dominant und bewirkt meist unregelmäßig geformte weiße Fellabschnitte, teilweise achsensymmetrisch auf dem Körper angeordnet. Muster die häufig vorkommen sind ein weißer Punkt
oder Blässe auf der Stirn bzw. weiße Schwanzspitzen. Die Kragenscheckung über den Schulterbereich erinnert an Mongolische Rennmäuse, ist jedoch auch von Nutrias und Feldmäusen bekannt. Ebenso gibt es
Banded-Zeichnungen, wie man sie von Farbmäusen,
Goldhamstern und Akazienratten kennt.
Es handelt sich bei allen Schecken ausschließlich um heterozygote Tiere (W/w). Der Weißanteil wahrscheinlich durch andere Modifikatoren beeinflusst, statt wie teilweise vermutet durch
heterozygoten/homozygoten Genotyp. Anhand einer breiteren Wurfgrößenanalyse habe ich zudem festgestellt, dass homozygot W/W höchstwahrscheinlich letal ist. Ein Großteil der reinerbigen Schecken
stirbt im Mutterleib ab. Zwei berichtete Fälle von Geburten rein weißer Tiere, die nur kurze Zeit überlebten, lassen darauf
schließen dass es sich hierbei um nicht lebensfähige homozygote Schecken handelte. Siehe auch Homozygot-letale Scheckung bei Degus
Name
Je nach Weißanteil werden Degus in aufsteigender Hierarchie unter den Bezeichnungen Punktschecke, (Schecke,) Starkschecke oder Superschecke klassifiziert. Bei Tieren mit sehr hohem Weißanteil sind oft nur rund um Augen, Ohren und Schwanz Haarpartien mit Restfärbung (siehe Artikel hartnäckige Flecken) zu sehen. Diese Tiere werden häufig auch White genannt.
Besonderheiten
Bei Tieren mit hohem Weißanteil können kaum noch Rückschlüsse über die Farbe gezogen werden, die durch die Scheckung gelöscht wurde. Die Scheckung wirkt zudem insgesamt aufhellend auf die
restliche Fellfarbe.
Mit dem Wissen, dass das Gen für Scheckung homozygot letal ist, sollte von der Verpaarung zweier gescheckter Tiere (W/w) abgesehen werden.
Black
Symbol |
Mutation |
Synonyme |
a | Non-Agouti | Black, Schwarz, (Tornado?) |
Geschichte
Kombinationen
Gencode |
Kombination |
Synonyme |
a/a d/d | Non-Agouti + Dilution | Blue |
a/a e/e | Non-Agouti + Extension | unbenannt |
a/a W/w | Non-Agouti + Scheckung | Black Schecke |
d/d e/e | Dilute + Extension | Cream |
d/d W/w | Dilute + Scheckung | Blue Agouti Schecke |
e/e W/w | Extension+ Scheckung | Rot Schecke |
a/a d/d W/w | Non-Agouti + Dilute + Scheckung | Blue Schecke |
a/a e/e W/w | Non-Agouti + Extension + Scheckung | unbenannt |
d/d e/e W/w | Dilute + Extension + Scheckung | Cream Schecke |
a/a d/d e/e | Non-Agouti + Dilute + Extension | Lilac |
a/a d/d e/e W/w | Non-Agouti + Dilute + Extension + Scheckung | Lilac Schecke |
Alle genannten Farb- und Zeichnungsmutationen können miteinander kombiniert werden. So sind nicht nur Blue Agouti (d/d) und Rot (e/e) oder wildfarbig-gescheckte Degus
(W/w) möglich, sondern auch blau-weiße Tiere (d/d W/w) oder rote Tiere mit weißer Schwanzspitze (e/e W/w). Betrachtet man die Webseiten von Züchter_innen mit "Sand"-Degus fällt auf, dass diese
meistens auch die beiden anderen Mutationen bei sich pflegen und alle miteinander kombinieren. Bei aller Experimentierlust und Forschungsdrang scheint jedoch übersehen worden zu sein, dass die
Kombination von Dilution und Extension-Mutation eine genetisch vollkommen eigenständige Farbe hervorbringt, die nur schwer vom farblich noch nicht gefestigten und noch nicht oft genug gesehenen
Red unterschieden werden kann. Die Kombination aus der Phäomelanin-Ausbreitung über das ganze Haar und der gleichzeitigen Aufhellung sollte eigentlich auffallend helle Tiere
hervorbringen die als solche erkannt werden. Es bleibt zu hoffen dass für den Farbschlag mit (e/e d/d) ein klingender Name gefunden wird, bzw. sich herausstellt, ob die vereinzelt als
Cream bezeichneten Tiere wirklich den Gencode d/d e/e haben.
Alle (möglichen) Farbschläge im Überblick
Variante |
gekürzter Gencode |
vollständiger Gencode |
ohne Mutation | ||
Agouti | +/+ | A/- D/- E/- w/w |
einfarbig | ||
Black | a/a | a/a D/- E/- w/w |
Blue Agouti | d/d | A/- d/d E/- w/w |
Rot | e/e | A/- D/- e/e w/w |
Blue | a/a d/d | a/a d/d E/- w/w |
unbenannt | a/a e/e | a/a D/- e/e w/w |
Cream | d/d e/e | A/- d/d e/e w/w |
Lilac | a/a d/d e/e | a/a e/e d/d w/w |
mit Zeichnung | ||
Agouti Schecke | W/w | D/- E/- W/w |
Black Schecke | a/a W/w | a/a D/- E/- W/w |
Blue Agouti Schecke | d/d W/w | A/- d/d E/- W/w |
Blue Schecke | a/a d/d W/w | a/a d/d E/- W/w |
unbenannt | a/a e/e W/w | a/a D/- e/e W/w |
Rot Schecke | e/e W/w | D/- e/e W/w |
Cream Schecke | d/d e/e W/w | d/d e/e W/w |
Lilac Schecke | a/a d/d e/e W/w | a/a d/d e/e W/w |
mehr
Chloe V. Long (2004): Colour Varieties
Sara Yousef (2005):
Fotos von sehr dunklem Blau
auf rodent-info.net
vielen Dank an Jasmin Skrzypczak für die Bereitstellung der Fotos und die fachkundige Unterstützung.
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Lilly (Samstag, 20 Juli 2019 18:47)
Wirklich sehr interessanter Beitrag, vielen Dank für die Mühe die du dir gegeben hast ❤️