Zu Zeiten, als ich noch Farbmäuse (Mus musculus) und Vielzitzenmäuse (Mastomys) züchtete, stellte man mir oft diese Frage:
Kann ich eine Farbmaus mit einer Vielzitzenmaus zusammen halten?
Meistens habe ich dann zurückgefragt, warum jemand mit dem Gedanken spielt, zwei artfremde Tiere zusammen zu halten.
Artenvergesellschaftungen sind in Zoo- und Heimtierhaltung immer noch beliebt. Die Frage, ob Mensch und Tier Nutzen aus solchen Vergesellschaftungen ziehen, soll anhand der beiden häufigsten Argumente meiner Fragesteller_innen annähernd geklärt werden.
Zwei artfremde Tiere = Gemeinsame Einzelhaltung
Viele kennen noch von früher die Kombination von Zwergkaninchen mit Meerschweinchen in einem Käfig. Meistens wurde von beiden Arten je nur ein Tier gehalten und augenscheinlich schien das Zusammenleben auch gut zu laufen. Die Partner vertrugen sich in den meisten Fällen, zeigten teilweise sogar Interaktion und reagierten ihren sozialen Putztrieb aneinander ab. Dennoch war jedes dieser Tiere ohne einen artgleichen Partner einsam und da wir das heute wissen, kommt die Kombination von Meerschweinchen und Kaninchen wohl kaum noch in dem Maße vor wie früher.
Es gibt nur wenige soziale Tiere, die eine andere Spezies als "Artgenossen" akzeptieren. Hierzu gehören zum Beispiel Haushunde, die ihre Menschen als Rudel verstehen oder manche Individuen,
welche mit der Flasche oder von artfremden Ammen aufgezogen wurden und in ihrem späteren Leben ihr arttypisches Verhalten teilweise auf die Spezies richten auf welche sie als Jungtier geprägt
wurden. Man kennt sogenannte Fehlprägungen insbesondere von den Versuchen mit Gänsen von Konrad Lorenz, aber auch heute
noch gibt es viele Papageien, die derart fehlgeprägt sind, dass sie Menschen ihren eigentlichen Artgenossen vorziehen.
Dies ist jedoch kein Gegenstand bei der Haltung von Farbmäusen oder Vielzitzenmäusen. Die Tierarten können nicht in beobachtbarem Ausmaß aufeinander geprägt werden.
Der Wunsch, eine Farbmaus und eine Vielzitzenmaus zusammen zu halten ist oft mit den gleichen Argumenten begründet, wie die gemeinsame Einzelhaltung von Meerschweinchen und Kaninchen: Nachwuchs soll vermieden werden. Die Angst, mit zwei artgleichen Tieren auch unentdeckt ein Paar ins Haus zu holen, das munter Nachkommen produziert, ist relativ verbreitet und auch nicht weit her geholt. Jedoch sollte die Verhütung von Nachwuchs nicht auf Kosten der psychischen Gesundheit der Tiere gehen. Viel besser ist es, sich bei der Geschlechtsbestimmung abzusichern. Oftmals können etwas ältere Tiere leichter unterschieden werden, auch ein_e Tierärzt_in kann hier helfen. Dennoch: Gleichgeschlechtliche Haltung stellt bei männlichen Farbmäusen ein Problem dar. Die Tiere vertragen sich untereinander nicht. Hierzu weiter unten mehr.
Als weiterer Grund für die gemeinsame Einzelhaltung wird oft genannt, dass Halter_innen sich eine gewisse Artenvielfalt und spannende Szenen bei der Interaktion
verschiedenartiger Tiere versprechen.
Grundsätzlich lässt sich eine Artenvielfalt jedoch auch mit jeweils einem Käfig für jede Tierart erreichen bzw. muss diese nicht mit Einzeltieren hergestellt werden. Wer befürchtet, für zwei
Käfige oder für einen sehr großen Käfig in dem zwei Tiergruppen Platz finden, keine Kapazitäten zu haben, muss sich für eine Tierart entscheiden.
Im übrigen ist die gemeinsame Haltung zweier Einzeltiere keine Bereicherung für das Sozialverhalten. Der_die Halter_in kann bei dieser Haltungsform nur einen Bruchteil des vielfältigen Verhaltens
der Tiere sehen, das mit Artgenossen gezeigt würde. Die Interaktionen zwischen den Arten sind für die Tiere nur Kompromisse aufgrund mangelnder Alternativen.
Risikant? Das artübergreifende Rudel
Was ist nun aber mit der Haltung von gesunden Gruppen zweier verschiedener Tierarten?
Hierzu lässt sich ganz kurz sagen: Die Artgesellschaft von Farbmäusen und Vielzitzenmäusen kann durchaus funktionieren und das Leben der Tiere bereichern. Dennoch ist dies mit Schwierigkeiten
verbunden, die man bei getrennter Haltung beider Arten nicht hätte. Die in sich mit einer Rangordnung und artspezifischen Verhaltensweisen organisierten Gruppen wachsen bei einer
Vergesellschaftung nicht selten zu einem großen gemischten Rudel zusammen. Dabei wird nicht selten ein gemeinsamer Bau genutzt und während der Wachzeit interagiert. Wir kennen ähnliches Verhalten
übrigens auch im Freiland bei mitteleuropäischen Mäusearten, die sich hin und wieder ein und den selben Bau teilen. Man könnte also sagen: die Haltung einer Gruppe bestehend aus mehreren
Farbmäusen und mehreren Vielzitzenmäusen bereichert den Alltag aller Individuen.
Dennoch: Viele unterschiedliche Faktoren sind an einem Funktionieren oder Scheitern einer friedlichen Artgemeinschaft gesunder Tiere beteiligt.
Gruppenzusammensetzung
Die Sozialstrukur von Farbmäusen und Vielzitzenmäusen ist relativ ähnlich. Die Tiere leben in großen Familienverbänden. Während in der Heimtierhaltung jedoch männliche Farbmäuse nicht zusammen gehalten werden können, sind männliche Vielzitzenmäuse untereinander vergleichsweise unkompliziert. In einer Vergesellschaftung mit anderen Mäusespezies sind beide Arten unkompliziert. Insbesondere Farbmäuse machen wenig Probleme. Die körperlich überlegenen Vielzitzenmäuse können jedoch gerade in den ersten Tagen nach dem Zusammenbringen zuweilen aggressiv sein. Dies betrifft nach meiner Erfahrung vor allem Weibchen. Für eine harmonische Gruppe sollten Individuen aus friedfertigen und gelassenen Stämmen gewählt werden. Ängstlichen oder schlecht sozialisierten Tieren wird mit Vergesellschaftungen oft kein Gefallen getan. Von jeder Art sollten mindestens zwei Tiere gehalten werden. Die Ausnahme stellen unkastrierte Farbmausmännchen dar, die wegen ihrer Unverträglichkeit mit Geschlechtsgenossen und zur Unterbindung von Nachwuchs nur mit artfremden Mäusen zusammen gehalten werden können.
Käfiggröße und Gestaltung
Die Größe und Gestaltung des gemeinsamen Käfigs unterscheidet sich kaum von der idealen Ausstattung bei artgetrennter Haltung. Der Käfig sollte für Gruppen von vier bis sechs Individuen
mindestens 100 x 50 x 50 cm groß und gut belüftet sein. Die Lüftungsflächen vieler Terrarien sind oft zu klein, sodass sie sich nicht für die Haltung von Tieren mit schnellem Stoffwechsel eignen.
Ebenso sollte man für die Gemeinschaftshaltung nicht auf die für Farbmäuse geeignete Haltung auf einer sogenannten Mäuseburg zurückgreifen. Vielzitzenmäuse neigen eher dazu, auch aus großer Höhe
in die Tiefe zu springen.
Zubehör sollte so gestaltet sein, dass alle Tiere jeden Punkt des Käfigs problemlos erreichen können. Da die Sprungkraft und Kletterkünste der Tiere ziemlich gleich sind, muss man hier nicht
besonders gut hinschauen, wohl aber bei der Wahl von Höhlen und Röhren. Die großen Vielzitzenmäuse sollten nicht in Höhleneingängen stecken bleiben. Übrigens versteht es sich von selbst, dass
auch bei der gemischten Haltung von Mäusearten wieder mehrere verschiedene Verstecke angeboten werden sollten.
Fütterung
Vielzitzenmäuse neigen mehr als Farbmäuse bei energiereicher Nahrung zu verfetten. Aus diesem Grund sollte die Ernährung der Tiere vor allem auf die Vielzitzenmäuse achten. Wird jedoch ausgewogen und nicht besonders fett gefüttert, stellt die gemeinsame Haltung von Vielzitzenmäusen und Farbmäusen jedoch auch in Bezug auf die Ernährung kein Problem dar.
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Emelie (Dienstag, 14 November 2017 20:29)
Endlich mal jemand der klarmacht dass man zwei Arten von Tieren jeweils ein Tier jeder Art nicht zusammen halten kann da beide ihr Rudel brauchen und man nur so soziale Kontakte sehen kann