Eine Zucht beginnen I

Bei der Beschäftigung mit Kleintieren wächst bei vielen Halter_innen der Gedanke selbst zu züchten. Oft ist es einfach das weitergehende Interesse an der Biologie der Tiere und das Bestreben, aktiv am Erhalt einer gesunden Population mitzuwirken; andererseits können auch der Wunsch, sich an Jungtieren zu erfreuen oder ungeplanter Nachwuchs vermeintlich gleichgeschlechtlicher Tiere den Grundstein für eine Zucht legen.

Auch wenn die meisten erst über unkontrollierte Vermehrung in die echte Zucht einsteigen, gibt es immer mehr angehende Züchter_innen, die sich informieren und abwägen bevor sie überhaupt die ersten Tiere kaufen. Hier sollen Anhaltspunkte geboten werden, worauf zu achten ist und welchen Einsatz eine Zucht fordert.

Selbstkritisch abwägen

Es gibt viele Arten und Weisen, wie eine Zucht geführt werden kann. Eine erste Überlegung ist also, wie die Zuchtpraxis gestaltet sein soll. Oft begegnet man Züchter_innen, die mit dem Ziel der Bestandserhaltung züchten und nur zwei bis drei Würfe im Jahr haben, von denen sie einige Tiere behalten. Andere hingegen haben mehrere Würfe im Monat mit dementsprechend mehr Zuchttieren und größeren Aufwand. Manche züchten fast ausschließlich zur Ausstellung bei Zuchtschauen, andere züchten sozusagen auf Bestellung, um Abnehmer_innen regelrecht mit Jungtieren zu beliefern.

Egal für welche Zuchtform man sich entscheidet: Es sollte die Bereitschaft vorhanden sein, Zeit, Platz und Geld zu investieren. Es ist ratsam die Tierart, welche gezüchtet werden soll, bereits zu kennen und einige Erfahrungen in der Haltung gesammelt zu haben. Dennoch ist die ausführliche Recherche zur Biologie und Zucht in Literatur und Internet unabdingbar.

Faktor Zeit

Je nach dem, wie viele Zuchttiere man betreut, können allein die Fütterungs- und Pflegearbeiten viele Stunden pro Woche vereinnahmen. Hinzu kommt die nötige Verwaltung des Bestandes, die Zuchtplanung und -dokumentation. Einen großen Teil der Zeit nimmt auch die Abgabe von Nachzuchten in Anspruch. Es müssen beispielsweise Anzeigen geschaltet oder die Webseite aktualisiert werden. Interessent_innen können  ausdauernd sein und es gehen oft viele Nachrichten hin und her, bevor Jungtiere endgültig abgegeben werden. Werden Tiere von Abnehmer_innen abgeholt, kann das einige Zeit in Anspruch nehmen. Auch beim Versand muss ein mehrstündiges Zeitfenster für die Abholung durch die Spedition eingeplant oder Tiere sogar zu einem Treffpunkt mit einer Mitfahrgelegenheit gebracht werden.

Ebenso ist es wichtig, Zeit in die Weiterbildung zu stecken. Das Zuchtwissen ändert sich ständig, weshalb Kontakt zu anderen Züchter_innen gehalten werden und man sich auch mit Artikeln in Zeitschriften, Blogs und Forenbeiträgen auseinandersetzen muss.

Faktor Geld

Mit der Zucht von Nagetieren lässt sich in den seltensten Fällen Profit machen. Es gibt nur wenige Kleinsäugerarten deren Zucht (je nach Vorgehensweise) den finanziellen Einsatz ausgleicht oder sich sogar rentiert.

Die Zucht von Kleinsäugern ist ein Hobby, das mehr oder weniger Geld kostet. Berechnet man neben Verbrauchsgütern wie Futter, Wasser und Einstreu auch Käfige, Einrichtung und Zubehör, etwaige Tierarztkosten und „versteckte“ Kosten wie Miete des vereinnahmten Wohnraums und die aufgewendete Arbeitszeit, wird man kaum noch einen Gedanken an finanziellen Gewinn verschwenden.

Faktor Platz

Eine der wichtigsten Fragen ist oft, wie viel Platz eingerechnet werden muss. Eine Hobbyzucht findet selten in eigens dafür angemieteten Räumlichkeiten, sondern meist im Wohnraum statt. Je nachdem, in welchem Rahmen die Zucht stattfindet und wie groß die Käfige sein sollen, fällt die Beanwortung der Platzfrage sehr unterschiedlich aus. In einem Regal voller Käfige für die Labortierzucht können schon auf einem Meter Zimmerwandlänge viele kleine Nagetiere unterkommen, während auf gleichem Raum auch nur ein einziges Terrarium stehen könnte. Hier ergibt sich neben der Frage nach tiergerechter Unterbringung auch ein ästhetisches Problem: Laborkäfige sind vielleicht zweckmäßig und oft lässt sich auch mit entsprechendem Spezialdeckel beispielsweise ein großes Laufrad unterbringen, jedoch ist eine Regalwand voller Makrolonboxen nicht gerade ein Schmuck für das Wohnzimmer. Die Entscheidung liegt also bei den zukünftigen Züchter_innen, wie viel Platz sie der Zucht einräumen. Hinzu kommt immer auch Lagerfläche für Futter, Streu und Zubehör.

Sonstige Überlegungen

Natürlich ist es, wie auch bei anderen Entscheidungen rund um Heimtiere wichtig, dass alle Haushaltsmitglieder mit der Zucht einverstanden sind und ihnen auch klar ist, was diese für das weitere Zusammenleben bedeutet.

 

Auch wenn Kleintierhaltung laut Mietrecht nicht verboten werden kann (solange die Nachbarschaft nicht gestört wird), ist auch hier zu beachten, dass sich diese Gesetzesgrundlage auf eine Haltung in "üblicher Zahl" bezieht. Es gibt also Urteile, die bei einem Tierhaltungsverbot der Vermieter_innen Recht gaben. Die Zahl und Art der Tiere war bei den Fällen vor Gericht derart variabel, dass man nie weiß, welcher Partei bei einem Streit um eine Zucht mit beispielsweise 30 Tieren eher Recht gegeben wird. Erfahren andere Mietparteien von einer Kleintierzucht im Haus, können durch dieses Wissen erst Probleme entstehen: Sie vermuten hinter jeder Maus im Garten ein potenziell entlaufenes Tier oder sorgen sich, dass durch die Kleintierzucht sogenannte Schadnager "angelockt" würden. Die bloße Vorstellung, dass eine für Außenstehende unüberschaubare Zahl an Nagetieren im Haus lebt, kann dazu führen, dass Nachbar_innen sich ganz plötzlich durch Geruch, Lärm oder andere Faktoren gestört fühlen. Wissen die restlichen Hausbewohner_innen nichts von einer Zucht, erspart das potenziellen Ärger.

 

Ein für viele Tierfreund_innen unangenehmer Aspekt ist immer auch, sich von Tieren zu trennen. Nachzuchten an neue Halter_innen abzugeben, fällt da noch am leichtesten. Was aber ist mit Zuchttieren die keine Würfe mehr produzieren sollen oder mit Jungtieren, die aufgrund einer Diabeteserkrankung nicht verkauft werden können? 
"Ausgediente" Zuchttiere abzugeben, kann Schuldgefühle hervorrufen, jedoch ist es bei Tierarten mit  schneller Generationsfolge kaum möglich, züchterisch Fortschritte zu machen, wenn alle Senioren behalten werden und kein Platz für neue Zuchttiere bleibt. Künftige Züchter_innen müssen in der Lage sein, sich von Alttieren zu trennen und sie beispielsweise zusammen mit ihrem Nachwuchs aus dem letzten Wurf abzugeben.

 

Für Tiere, die aufgrund ihrer gesundheitlichen Verfassung oder ihres Verhaltens nicht vermittelt und oft auch nicht alle behalten werden können, heißt die letzte Antwort oft Verfüttern. Diese Praxis nicht vollkommen abzulehnen und eine_n verantwortungsvolle_n Besitzer_in von fleischfressenden Reptilien, Säugern, Vögeln oder anderen Tieren zu finden, erleichtert den Zuchtalltag.


weiter geht es im zweiten Teil: 

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Kommentare: 4
  • #1

    TheFeldhamster (Mittwoch, 10 Oktober 2012 14:46)

    Meinst Du nicht, daß beim Platz mehr als ästhetische Probleme bestehen? Viele AbnehmerInnen wollen heutzutage Tiere aus großen und schön eingerichteten Gehegen und nicht als Makrolons. Zumindest wenn es um Liebhabertiere und nicht Futtertiere geht. Das sollte man sich vor Zuchtbeginn schon vor Augen halten, daß man bei kleiner Haltung als unseriöseR VermehrerIn abgestempelt wird.

  • #2

    ratfrett (Freitag, 19 Oktober 2012 13:26)

    Sich solch falschen Schlüssen zu unterwerfen wäre aber auch nicht unbedingt der Königsweg.
    Bei der Zucht sollten die möglichen Abnehmer_innen nicht die primären Entscheidungsfaktoren ausmachen. Zucht ist keine Dienstleistung.
    Wichtiger ist es, eine Lösung zu finden die für Mensch, Tier und Zuchtprojekt eine befriedigende Lösung bringt und bei Abgabe an andere die Qualität der Tiere sprechen zu lassen.

  • #3

    Katharina (Freitag, 09 November 2012 13:35)

    "Zucht ist keine Dienstleistung", aber die Vermittlung an Privatpersonen ist(meiner Meinung nach), berechtigter Weise eine.

  • #4

    ratfrett (Freitag, 09 November 2012 13:56)

    Eine erbrachte Leistung zur Deckung eines Bedarfs nennt man Dienstleistung.
    Wer allein züchtet um einen Bedarf bei Kund_innen zu decken, hat den echten Zuchtgedanken aus den Augen verloren.